Der heilige Vinzenz von Paul

Einen kostbaren Abglanz der „Liebe Gottes, die in unsere Herzen durch den heiligen Geist ausgegossen ist“, schauen wir in dem heiligen Vinzenz von Paul, einem der edelsten Menschenfreunde, welche jemals über diese Erde gewandelt sind.

Dieser große Sohn der heiligen Kirche, der bestimmt war, ein auserlesenes Werkzeug in der Hand Gottes zu sein, wurde am 23. April 1576 in Ranguines am Fuße  der Pyrenäen in der Gascogne geboren. Seine frommen Eltern waren genötigt, durch harte Arbeit in der Beackerung ihres Gütchens sich und den Kindern den Lebensunterhalt zu erwerben. Wegen der Geistesanlagen, die der stille Knabe früh zeigte, übergaben die Eltern ihn den Franziskanern in Dax zum Unterricht. Vier Jahre hindurch lag er dort den Wissenschaften ob und machte darin solche Fortschritte, dass er andern mit Erfolg Unterricht erteilen und so die Mittel erwerben konnte, an der Universität zu Toulouse sich auf den priesterlichen Stand vorzubereiten. Nachdem er im Jahre 1600 die Priesterweihe empfangen hatte, setzte er noch einigen Jahre die Studien fort. Große Seelen werden aber nur gebildet in der Schule des Kreuzes; in diese nahm Gott auch den heiligen Vinzenz. Es war im Jahre 1605, als derselbe eine Reise nach Marseille machen musste; plötzlich wurde die kleine Barke von Seeräubern angefallen, die Mannschaft niedergemacht und die Passagiere unter Misshandlungen nach Tunis auf den Sklavenmarkt gebracht. Ein Fischer, der den Heiligen kaufte, trat ihn ab an einen Arzt, der ihn mit Milde behandelte; der Versuchung desselben, vom Glauben abzufallen, widerstand Vinzenz mit unerschütterlicher Beharrlichkeit. Später kam er in den Dienst eines abgefallenen Christen, welcher ihn anfangs hart behandelte. Sein sanftes Wesen, sowie seine frommen Lieder machten einen tiefen Eindruck auf eine von dessen Frauen, welche ihren Mann durch ihre Mitteilungen über den heiligen Sklaven zur Reue über seinen Abfall brachte. Nach einer Unterredung mit Vinzenz verließen beide das Land und setzten nach Frankreich über. Der Erzbischof von Avignion nahm den Abgefallenen wieder in den Schoß der Kirche auf. Beide pilgerten hierauf nach Rom, um an den heiligen Orten zu beten. Der berühmte Kardinal von Berulle führte ihn nach seiner Rückkehr ein in die Familie des Grafen von Gondi, welcher ihn zum Erzieher seiner Söhne ernannte. Diese Gelegenheit benutzte er, um während des Sommers den Landbewohnern das Wort Gottes zu verkündigen und die heiligen Sakramente zu spenden. Tief ergriff ihn die Unwissenheit und Verwahrlosung jenes armen Landvolkes; mit rastlosem Eifer griff er ein, um der Not zu steuern. Dies veranlasste die Gräfin Gondi, eine der edelsten Frauen jener Zeit, mit Genehmigung des Erzbischofs unter Vinzenz‘ Leitung eine Gesellschaft von Priestern zu gründen, welche sich des armen Landvolkes annehmen sollten.

Gleichzeitig nahm der Heilige sich der Galeerensklaven an und wirkte Wunder der Liebe an diesen meist unzugänglichen Sträflingen; einmal ging er in seiner Liebe so weit, dass er sich für einen andern eine Zeitlang an die Ruderbank fesseln ließ. Wegen der hohen Verdienste, welche jene Missionsgesellschaft sich erwarb, ernannte Papst Urban VIII. sie im Jahre 1634 zu einer Kongregation, deren Mitglieder von dem Hause St. Lazarus „Lazaristen“ genannt werden. Mit Beihilfe der hochherzigen Witwe Luise le Gras rief Vinzenz zur Pflege der armen Kranken die Genossenschaft der „Töchter der christlichen Liebe“ ins Leben.

Ein neues Feld bot sich seiner Tätigkeit dar, als er Kunde erhielt von den ausgesetzten Findelkindern; für sie rief er einen Frauenverein ins Leben, und unbeschreiblich ist, was er jenen ärmsten Wesen in seiner unerschöpflichen Erbarmung zugewandt hat. Als Lothringen in tiefstes Elend geraten, war Vinzenz der rettende Engel; nicht weniger als zwölf Millionen bettelte er für die Armen Frankreichs und des Auslandes. Es ist unmöglich, auch nur kurz zu erwähnen all die segensvollen Einrichtungen, Wohltätigkeitsanstalten, Liebeswerke, die ihm ihr Dasein verdanken. Die Hoffnung auf Gott war der Quell seiner Segnungen, mitten in der Arbeit bewahrte er die größte Sammlung und Andacht im Gebet. Der Engel der Liebe ward im Alter von 85 Jahren der Erde genommen am 27. September 1659. Sein Bild zeigt ihn von armen Kindern umgeben.

Die Kirche und die Armen

Zu allen Zeiten hat die heilige Kirche die wärmste Teilnahme für die Armen betätigt. Die ewigen ihr anvertrauten Wahrheiten haben diese Liebe zu den Armen ihr angeboren. Aus freien Stücken übergaben die ersten Christen ihre Habe den Aposteln zum Besten der Armen, und eigens wurden Diakone zur Besorgung der Armenpflege eingesetzt. Auf der Grundlage sehr weiser Verordnungen entwickelte sich dann in den folgenden Jahrhunderten die Sorge um die Armen in der schönsten Weise. Mit dem wachsenden Elend stellte sich die Notwendigkeit ein, große Häuser, Hospizien, einzurichten, die den obdachlosen Armen ein Heim boten. Sobald nach Konstantin das Klosterleben sich ausbreitete, fand die Liebe zu den Armen den ergiebigsten Boden in den Klöstern. Viele Bestimmungen kirchlicher Synoden, das Beispiel hoher Würdenträger, die Mahnungen der Kirchenväter haben dann die kirchliche Armenpflege in ihrer Entwicklung immer weiter gefördert. Als aber der Staat sich feindselig gegen die Kirche stellte, geriet die Armenpflege ins Stocken. Da erschien wie ein Engel vom Himmel er heilige Vinzenz von Paul, der durch seine Schöpfungen, zumal durch seine „Töchter der christlichen Liebe“ die Welt der Armen reich gesegnet hat; an sein Wirken knüpft sich eine lange Reihe von Kongregationen, in denen die Liebe zu den Armen fortlebt und die herrlichsten Blüten treibt.

Quelle: Leben der Heiligen nebst praktischen Lehren für das katholische Volk – mit besonderer Berücksichtigung der deutschen und neueren Heiligen – von Herm. Jos. Kamp, Dechant. – Dritte Auflage – Mit Erlaubnis der geistlichen Obrigkeit. – Verlag der A. Laumann’schen Buchhandlung, Dülmen i. W., Verleger des heiligen Apostolischen Stuhles. – Imprimatur, die 13. Februarii 1911. Bild: Screens.

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