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Von Don Michael
Derzeit arbeitet die moderne Kirche daran, ihre innere Verfassung zu ändern und sich selbst und durch eigene Initiative von einer hierarchischen Kirche, wie sie von Gott gewollt und eingesetzt wurde, zu einer synodalen, und daher menschlich konstruierten Kirche zu machen. In der einen und einzigen Kirche Jesu Christi, welche die katholische Kirche ist, ist seit Jahrzehnten ein Prozeß der sukzessiven Loslösung von der göttlichen Offenbarung und von Christus selbst im Gange: Es ist somit ein Prozeß der Selbstzerstörung. Die Kirche ist derzeit dabei, sich von innen her selbst zu zerfleischen. Leider ist die Frage mittlerweile sehr berechtigt, wie katholisch die katholische Kirche noch ist. Ist sie wirklich noch so, wie sie von Christus gedacht und gewollt ist?
Zwar ist klar, daß die katholische Kirche mit der von Jesus Christus eingesetzten Kirche identisch ist. Man kann sozusagen auf die katholische Kirche zeigen und sagen: „Das ist die eine und einzige Kirche, die Jesus Christus eingesetzt hat“. Etwas ganz anderes hingegen ist die Frage, ob das, was allgemein von den irdischen Hierarchen dieser einen und einzigen Kirche Jesu Christi zu einem bestimmten Zeitpunkt getan, gelehrt, entschieden oder geglaubt wird, dem entspricht, was Christus gewollt hat. Man darf nicht den fatalen Fehlschluß begehen und meinen, alles, was die Kirche in ihren sichtbaren Organen sagt, entspräche auch automatisch der Lehre und dem Willen Jesu Christi. Nicht alles, was die Kirche sagt und tut, ist automatisch schon dem göttlichen Willen entsprechend: In ihr ist sehr wohl auch das Potential gelegen, in Wort und Tat gegen die Offenbarung Gottes zu agieren. Man nennt dies Irrtum, wenn es aus unverschuldeter Unkenntnis heraus geschieht, und Sünde, wenn es willentlich und bewußt geschieht. Als Hilfsvorstellung kann man sich eine doppelte Schablone vorstellen. Ein Teil steht für die übernatürliche Kirche, der andere für die natürliche. Die Form der Schablone der übernatürlichen Kirche ist formgebend. Die Schablone der natürlichen Kirche ist formnehmend und muß zur Kongruenz, d. h. zur Deckungsgleichheit gebracht werden. Sind beide Formen übereinstimmend, ist alles in Ordnung. Weichen beide Formen jedoch an gewissen Stellen voneinander ab, so ist etwas aus dem Ruder gelaufen und muß dringend korrigiert, d. h. je nachdem entfernt oder ergänzt werden, bis die geforderte Deckungsgleichheit wieder hergestellt ist.
Da der innerste Kern der Kirche die Liturgie, speziell die Darbringung des eucharistischen Opfers ist, das im Zentrum ihres Seins und Handelns steht, muß die analytische Frage auch nach der Heiligen Messe gestellt werden: Welche Rolle spielt die Liturgiereform generell, speziell die neue Messe in der Entwicklung bis zu dem Punkt, den wir heute sehen: die Zersetzung der Kirche von innen her?
Gleich zu Beginn einer Überlegung solcherart stoßen wir auf ein erstes Grundproblem: Während für jedermann vollkommen klar und eindeutig ist, wovon man spricht, wenn man von der Zelebration der „alten Messe“ handelt, so ist dies bei der „neuen Messe“ nicht der Fall. Hier muß man zuerst einmal abklären, von welcher Art von „neuer Messe“ man überhaupt spricht. Denn selbst wenn man sich nur innerhalb aller vom Missale vorgesehenen Möglichkeiten bewegt, reicht die Bandbreite von einem lateinischen Hochamt mit Weihrauch, Barockkasel und Hochaltar bis zu einer Messe im Sitzkreis mit grauer Albe, Gitarre, „Schweizer Hochgebet“ und modern-skurriler Ausstattung von Kelch und Stola. Rein äußerlich haben beide Messen kaum etwas gemein, und doch werden sie nach demselben Meßbuch von Paul VI. gelesen, ohne dessen Optionsmöglichkeiten zu verlassen.
Wenn man dann noch die Messen hinzunimmt, so wie sie tatsächlich in den Pfarreien gehalten werden, nämlich mit reihenweise „liturgischen Ausschreitungen“, d. h. wo man über die vom neuen Meßbuch vorgesehenen Möglichkeiten (teils sehr weit) hinausgeht, driftet das Ganze noch weiter auseinander. Diese „liturgischen Ausschreitungen“, wenn man sie so nennen möchte, sind an der Tagesordnung und schon lange nicht mehr auf den rebellischen dritten Hilfskaplan beschränkt, der dabei gegen den Willen von Pfarrer und Bischof agiert. Im Gegenteil: Solche liturgischen Ausschreitungen werden längst auch von hochrangigen Klerikern begangen: Nicht nur die Pfarrherren oder irgendwelche Kapläne treten hier negativ in Erscheinung, sondern auch Bischofsvikare, Generalvikare, Bischöfe und Kardinäle. Das Internet ist voll von entsprechenden Berichten mit Bilddokumenten, und bei weitem nicht alle derartigen Messen sind dokumentiert. Man findet alles, vom sizilianischen Erzbischof, der mit Meßgewand und Mitra in seiner Kathedrale eine Runde mit dem Fahrrad fährt, über einen deutschen Bischof, der mit Karnevalsschminke und Barockkasel am Altar steht, bis hin zu einem Wiener Kardinal, der während einer Messe bei Diskobeleuchtung mit Luftballonen hantiert. Auch in den modernen Priesterseminaren (deren häßlichster Raum meist die Seminarkapelle ist, die das gesammelte, fromme Gebet erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht, und die beim Betreten ein seltsames Unbehagen oder gar Widerstand hervorruft) wird die Liturgie oftmals als eine Art „Laborsituation“ beschrieben, mit der man experimentieren kann und soll. Ein Verständnis von Sakralität wird nicht unbedingt vermittelt in der Priesterausbildung. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn manche Priester nichts mehr dabei finden, im Meer stehend auf einer Luftmatratze, die als Altar dient, „Messe zu feiern“, oder andere Priester im Wald am Boden auf einem Tuch als Altar in T‑Shirt und kurzen Hosen selbiges tun. Die neue Messe wird eben als Gemeinschaftsmahl aufgefaßt und nicht mehr als erhabenes, sakrales Opfer Jesu Christi. Alles Kultische hat man im neuen Verständnis von Liturgie, so wie es durch die Liturgiereform selbst gefördert und gefordert wird, zu rein Kulturellem und Soziologischem degradiert.
Doch selbst wenn man zugesteht, daß diese extremen Beispiele, auch wenn sie von Kardinälen und Bischöfen begangen werden, sich nicht direkt auf die Liturgiereform berufen können (indirekt jedoch sehr wohl!): Die Bandbreite in der Form der Zelebration der Messe im neuen Ritus ist selbst innerhalb des Rahmens, den die offiziellen Normen stecken und zulassen, enorm, und es ist schwer einzusehen, daß alle diese so divergierenden Formen Ausdruck desselben Glaubens sein sollen – das bereits durch die großen Unterschiede der möglichen Texte, ebenso durch die rituellen Vollzüge. Das ist ein erstes (und ernstes) Problem, das uns bereits in die nachfolgenden Schwierigkeiten, auf die wir gleich stoßen werden, hineinführt.
Allein schon dadurch verliert die Messe und der mit ihr verbundene Glaube die notwendige Klarheit und Eindeutigkeit. Ja es entsteht in den Gläubigen zwangsläufig der Eindruck, es gäbe diese erst gar nicht, alles sei undefiniert, unklar, und letztlich sei es auch gar nicht allzu wichtig, was geglaubt werde, sondern allein, daß überhaupt etwas geglaubt wird – egal was (mit der einzigen Einschränkung: Es darf nicht „vorkonziliar“ sein). Wenn es von der Kirche selbst vorgesehen ist, daß die Zelebration des Opfers einer sehr weit gestreuten Auswahlmöglichkeit selbst in zentralsten Teilen und somit zwangsweise persönlichen Entscheidungen und damit auch Vorlieben unterliegt, weil diese eine Situation geschaffen hat, in der es keine eindeutige Liturgie mehr gibt, dann muß dies logischerweise auch für den Glauben gelten, welcher der Liturgie zugrunde liegt und selbst wiederum durch diese begünstigt wird. Das fördert aber kein Überzeugtsein und somit keine Glaubensüberzeugung, sondern ein kreatives Ausdrücken der eigenen, beliebigen Meinungen und Ansichten. Das neue Meßbuch selbst zwingt den Priester eine (persönliche) Entscheidung zu treffen, wie und als was er die Hl. Messe präsentiert.
Die Kirche hat damit de facto ihre bisherigen Überzeugungen aufgegeben und höchstens als eine von vielen Möglichkeiten, aus denen man wählen kann, zur freien Auswahl gestellt. Es geht also viel mehr um Geschmack, Präferenzen und Meinungen, die alle gleichberechtigt nebeneinandergestellt wurden. Davon abgesehen, daß das neue Meßbuch selbst schon wesentliche und sehr unglückliche Änderungen vorgenommen hat, muß der Zelebrant selbst entscheiden, wo er den Schwerpunkt setzen möchte. Das ist jedoch absurd, wenn man bedenkt, daß die Heilige Messe eigentlich klar definiert wäre und nicht zum Werk eines Priesters verkommen oder zum Produkt eines Liturgieausschusses degenerieren darf. Somit ist auch klar, daß der Charakter des „gemeinsam miteinander Feierns“ überwiegt und die kultische Darbringung des Opfers Christi durch seine Kirche in den Hintergrund tritt. Der Durchschnittskatholik wird die Hl. Messe also folglich als gemeinsame Feier verstehen, was ihm äußerlich so präsentiert und darüber hinaus auch so gesagt wird, und nicht vornehmlich als Opfer, was sie eigentlich ist.
Es wird das Alte und Bisherige dabei nicht klar und eindeutig widerrufen, um keinen Widerstand zu wecken, sondern es wird einfach nicht mehr erwähnt und so lange überlagert und verschwiegen, bis es aus Glaube und Bewußtsein verschwindet und im allgemeinen Denken von Klerus und Volk als nicht mehr aktuelle, gültige Lehre oder (liturgische) Praxis gilt. Irgendwann gilt es dann im allgemeinen Empfinden nur mehr als „Früheres“, das für heute keine Gültigkeit mehr hätte. Etwas einschlafen und somit in Vergessenheit geraten zu lassen ist oftmals wirksamer als eine direkte Abschaffung, die eventuell eine Widerstandsbewegung hervorrufen wird.
Durch geschickte Wortwahl werden die Menschen getäuscht (scheinbar unbedeutend: präsidieren/der Feier vorstehen, Tisch des Wortes/Brotes, etc.): Hauptsache, das Eindeutige ist verschwunden. Man spricht nun von „bereichernder Vielfalt“, „unterschiedlichen Zugängen“, „aktiver Teilnahme“.
Dadurch ist zwar nicht per se die sakramentale Gültigkeit der Messe angegriffen, sehr wohl aber deren geistliche Fruchtbarkeit: Es genügt nicht, einfach gültig zu kommunizieren, als ob der Herrenleib eine Medizin wäre, die wie eine biochemische Reaktion von selbst abläuft, sondern die durch das Sakrament ausgegossenen Gnaden müssen auch auf fruchtbaren Boden fallen, um sich recht entfalten zu können. Und dieser Boden, d. h. unsere Seele, wird durch die Konzeption der neuen Messe nicht so bereitet, wie es eigentlich notwendig wäre, damit sich die Gnaden vollständig entfalten können. Je nachdem wie sie gehalten wird, kann die neue Messe den Boden der Seele sogar versteinern, anstatt ihn fruchtbar werden zu lassen und zu düngen. Freilich kann die Gnade Gottes überall wirken – das heißt aber nicht, daß wir unsere Verantwortung für das Allerheiligste daran abwälzen dürfen und tun und lassen dürfen, was uns gerade beliebt, frei nach dem Motto: Der Herrgott ist so allmächtig, der wird´s schon richten. Mit dieser Herangehensweise könnten wir letztlich alle Sakramente abschaffen und jegliche religiöse Praxis, jeden Glauben und alle Liturgie aufgeben: Denn der Herrgott ist ja eh allmächtig, er braucht unser Zutun nicht. Mit einer falschen Liturgie, welche zentrale Grundsätze aus dem Blick verloren hat, riskieren wir, daß auch die sakramentale Gnade auf steinigen Boden fällt und von Dornengestrüpp überwuchert wird. Und irgendwann hören die Menschen auf zu glauben, obwohl sie kommunizieren, oder kommen gar nicht mehr.
Ein zentrales Problem der neuen Messe ist, daß sie zum Kompromiß in Glaubensfragen erzieht. Sie zeigt es uns sozusagen an ihrem eigenen Beispiel an sich selbst vor. Man gewöhnt sich daran, Abstriche zu machen. Auf einen Abstrich folgt der nächste, und daraufhin noch einer und noch einer, bis am Ende nichts mehr von der ursprünglichen Substanz übriggeblieben ist.
Was zunächst noch als ein Mangel empfunden wird, den man möglichst beseitigen möchte, wird bald schon zur Gewohnheit, mit der man sich abgefunden hat und die man schließlich auch verteidigt. Zunächst zumindest als Option, dann als ein Recht für alle, schließlich als allgemeine Pflicht. Volksaltar, Ministrantinnen und Handkommunion sind nur drei besonders augenfällige Beispiele, welche diese sich immer wiederholende Entwicklung vorzeigen. Mittlerweile ist man dabei, uns an Laienpredigt, Laientaufe, Laienhochzeit und Laienbeerdigung zu gewöhnen. Der Priester als solcher wird überflüssig, da man ihm nach vielen anderen Kompetenzen, wie etwa Leitungsfunktionen, das letzte wegnimmt, was ihm geblieben ist: die Liturgie. Immer ist es jedoch dasselbe Muster: Was als Skandal und Liturgiemißbrauch begann, ist heute de facto verpflichtend von allen anzunehmen. Es ist vom Unrecht zum Recht und zur Pflicht geworden. Es stellt sich schleichend eine fatale Mentalität des „besser das als gar nichts“ oder „ist ja halb so schlimm, da nicht wesentlich“ ein. Damit hat die unaufhaltsame Spirale nach unten aber bereits begonnen. Man wird durch die neue Messe selbst scheibchenweise an immer Neues gewöhnt, und es geht immer einen kleinen Schritt weiter. Oft sind es scheinbare Kleinigkeiten, die nicht als drastisch erscheinen, aber nach und nach werden sie vom kleinen Schritt zum großen, wenn man sie aneinanderreiht. Vergleicht man das „Normale“ in größeren zeitlichen Abständen, so wird sehr rasch deutlich, wie sehr auch innerhalb des „normalen“ NOM ein Verfall festzustellen ist.
Man wird durch die Liturgiereform dazu erzogen, immer neue und immer mehr Kompromisse einzugehen. Ein Kompromiß bedeutet aber an sich schon immer das Durchwobensein von Dingen, die nicht überzeugen und die nicht das Bestmögliche sind. Der Kompromiß ist immer die Duldung eines erkannten Übels als Teil des Ganzen, eine Verminderung der Qualität – ansonsten bräuchte man ja keinen Kompromiß einzugehen, wenn es nicht ein Abstrich vom Besten wäre. Das führt allerbestenfalls zum Durchschnitt, der gerade so irgendwie noch genügt. Darauf kann aber kein gesunder, vollständig entfalteter Glaube aufbauen, da Glaube ein wirkliches Überzeugtsein bedeutet und auf das Maximal ausgerichtet ist: Glaube verlangt nach einem „möglichst viel und vollständig“, nicht nach einem „so wenig wie möglich und gerade noch notwendig“! Wenn der Kompromiß aber wesentlich einen Abstrich von Überzeugungen bedeutet, so ist er damit auch ein Abstrich vom Glauben bzw. den Glaubensüberzeugungen. Gerade wenn es um Göttliches geht, gerade wenn es um das Allerheiligste geht, kann es nicht angehen, auf das gerade noch Gültige abzuzielen oder auf ein Mittelmaß, das möglichst viele vereint: Das sacrificium perfectum verlangt wesenhaft selbst nach einer liturgia perfecta! Man kann nicht bewußt und willentlich aus dem perfekten Opfer Gottes einen mittelmäßigen Kompromiß in einer menschenzentrierten Liturgie machen, ohne dabei das Wesentliche anzurühren. Der Glaube, der sich auf Kompromisse einläßt, und sei es „nur“ in seinem äußeren Ausdruck, unterliegt somit zumindest dem schweren Risiko, langsam zu verschwinden. Daß dies weit mehr als eine potentielle Gefahr ist, sondern brutale Realität, die bereits aktualisiert ist, sehen (und hören) wir tagtäglich in der Kirche.
Das Tragische dabei ist, daß es beinahe paradoxerweise die (neue) heilige Messe selbst ist, die trotz ihrer prinzipiellen sakramentalen Gültigkeit zu dieser Entwicklung beiträgt. Sie ist zwar unter einem Aspekt nach wie vor Medizin, aber zugleich auch toxisches Gift. Das Opfer Gottes bleibt von dessen Seite her auch in der neuen heiligen Messe dasselbe perfekte Kreuzesopfer Jesu Christi, allerdings ist das Opfer von kirchlicher Seite nicht mehr in der Lage, liturgisch seinem eigenen Wesen zu entsprechen. Das, was durch die neue Liturgie (je nach Zelebrant mehr oder weniger, aber prinzipiell immer) unweigerlich vermittelt wird, ist nicht das, was sie eigentlich ihrem Wesen nach ist und in ihrer Form sein soll und muß. Durch die Diskrepanz von Wesen und Ausformung wird zunächst ein Irrtum implementiert, der dann zu einem neuen, anderen Glauben mutiert. Es scheint beinahe häresieverdächtig zu sein, weil es zunächst einmal unglaublich klingt, daß so viele Menschen über eine so lange Zeit hinweg in einer so wichtigen Sache so sehr in die Irre geführt wurden. Aber bei einer ehrlichen, genauen Sicht auf die Sachlage müssen wir heute leider analytisch diagnostizieren: Es ist zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem wesentlichen Anteil gerade die (neue) Liturgie der Kirche selbst, welche den massenweisen Glaubensabfall massiv begünstigt und oftmals auch direkt ausgelöst hat. Gerade dort, wo sich der Mensch zurecht Heil und Wahrheit erwartet, empfangen ihn Irrtum und Banalität.
Dies zu glauben und als reale, faktische Wirklichkeit anzuerkennen fällt aus gut nachvollziehbaren Gründen vielen schwer. Es ist eben kaum zu glauben, denn es stellt sich die Frage, wie Gedanken, die dem gläubigen Denken der Kirche eigentlich völlig fremd und sogar entgegengesetzt sind, dennoch so tief in sie eindringen und sich so dermaßen in ihr festsetzen können. Die Analyse der Ereignisse ergibt: Man „überzeugt“ die Frommen durch ihre eigene Frömmigkeit, d. h. man greift sie dort an, wo sie am besten zugänglich sind und sich gerne weiterentwickeln würden. Man findet für alles eine fromme Ausrede, die alles rechtfertigt, man wählt Argumente, die durch ihre trügerische Formulierung oberflächlich betrachtet zunächst fromm und aus dem Glauben genährt klingen, es aber in ihrem Kern nicht sind, ähnlich wie der berühmte Wolf, der als Schaf verkleidet daherkommt, um als Freund zu erscheinen, in Wirklichkeit jedoch darauf aus ist, sie aufzufressen. Gott sei´s geklagt, eines müssen wir ganz klar und ehrlich sagen: Es gibt sehr wohl vereinzelte Ausnahmen, aber auf das Ganze gesehen sind Theologen, Priester, Bischöfe und sogar die Organe des Heiligen Stuhles derzeit nicht unsere Freunde, von denen wir etwas erwarten können. Schon gar nicht in Fragen des Glaubens. Es ist ein ganz offen deklariertes Ziel, die Tradition in Glauben und Praxis, in Dogma und Liturgie zu vernichten und endgültig der Vergangenheit zuzurechnen. Es darf den traditionellen Katholizismus einfach nicht mehr geben, in all seinen zentralen und marginalen Facetten, wir gelten als die Indietristen, die es mit fromm daherkommenden Sprüchen und Dekreten auszurotten gilt. Wir dürfen nicht weiterexistieren, wenn es nach dem Willen der derzeitigen Kirchenleitung, diözesan wie universal, geht.
Dieses Ziel wird sehr energisch verfolgt, einerseits durch faktische Entscheide und Gesetze, aber auch durch fromm anmutende, aber in Wirklichkeit perfid-manipulative Worte. Wer sich etwa weigert die Handkommunion zu nehmen, dem macht man ein schlechtes Gewissen, er würde Christus nicht aufnehmen. Man sagt vorwurfsvoll-süßlich, „Christus wolle in Dein Herz und Du empfängst ihn nicht, weil Du die Form des Kommunionempfangs über Christus und seine Gnade stellst“. Wer darauf beharrt, in die alte Messe zu gehen anstatt in die neue, dem wirft man vor, es wäre „ungehorsam“ – und fügt hinzu „Jesus will nicht, daß wir ungehorsam sind“. Auch Argumente wie „hätte Jesus es nicht gewollt, hätte er es nicht zugelassen“ sind ebenso theologisch falsch und manipulativ wie „wenn es die Kirche/der Bischof/der Papst/der Pfarrer/das Konzil sagt, dann muß es richtig sein: Der Heilige Geist spricht immer aus ihnen“. Oder man sagt den Leuten (wie man es auch in Priesterseminaren immer gerne den Alumnen sagt): „Wer gehorcht, der sündigt nie“. Und so gibt es noch zahlreiche andere ähnliche Scheinargumente, die fromm und gläubig klingen, welche die frommen und gläubigen Menschen auch leicht bei ihrer „schwachen“ Stelle packen, die sich aber bei einer ehrlichen Betrachtung nicht als Argumente, sondern als Manipulation entpuppen, weil sie sich nicht auf theologische Tatsachen stützen, sondern auf die Gefühle der Menschen zielen, mit denen man ihr Handeln, Reden und Denken ändern möchte.
Anstatt sich auf Sachargumente einzulassen (immerhin ist der Glaubensakt eine willentliche Zustimmung des Verstandes zu einer erkannten Wahrheit und keine sentimentale Angelegenheit!), zieht man es lieber auf eine emotionale Ebene, um mit Argumenten, die zwar fromm klingen, aber inhaltlich verdreht sind und wichtige Aspekte einfach außer acht lassen, fromme Seelen zu verunsichern, indem man ihnen suggeriert, sie wären unfromm und hätten eine gebrochene Beziehung zu Christus. Das, was sie tun und glauben, gerade weil sie eine innige Christusbeziehung pflegen, aufbauen und erhalten wollen, wird ihnen als schädlich vermittelt. Es werden die Tatsachen also vollkommen umgedreht.
Die Mehrdeutigkeit der neuen Liturgie und ihre prinzipiellen Interpretationsspielräume, die sie inhärent in sich trägt, wirken wie ein Anästhetikum, das Geist und Seele des Menschen einschlafen läßt. Wir gewöhnen uns das rechte, eindeutige Verständnis ab, und tauschen es gegen ein undefiniertes oder falsches Verständnis ein. Man beruhigt sich sehr schnell damit zu sagen: „Naja, man kann es ja eh auch richtig verstehen“. Aber genau hier liegt der Fehler: Man kann – man kann aber auch nicht. Dieser Eindruck, daß ohnedies alles unsicher und nicht wirklich klar und eindeutig ist, wird durch ein ständiges Abändern gefördert. Man gewöhnt sich an den Gedanken, daß nichts definitiv wahr ist und alles letztlich einem ständigen Wandel unterlegen, denn „der Heilige Geist weht, wo er will, und macht alles neu“. Objektive, geoffenbarte Wahrheit löst sich somit auf und wird im Denken der Menschen zur ausverhandelbaren Übereinkunft. Ist der menschliche Geist erst einmal derartig sediert und eingeschläfert, ist es leicht, ihm alles Mögliche unterzujubeln.
Die gewollte Mehrdeutigkeit wird gezielt dazu eingesetzt, um das, was zunächst legitimerweise mehrheitlich abgelehnt wird, am Ende nicht nur zu einer Möglichkeit, sondern gar zu einer Verpflichtung für alle werden zu lassen. Beispiele dafür haben wir oben bereits angeführt, etwa die Handkommunion, oder zahlreiche weitere andere Neuerungen, die sich anführen ließen. Die Dynamik der Entwicklung ist dabei immer dieselbe und erfolgt in sieben kleinen Einzelschritten, die wie ein Schema stets gleich ablaufen.
Zunächst gibt es etwas, das eine allgemeine legitime Ablehnung erfährt und deshalb auch verboten ist, beispielsweise Volksaltäre, Ministrantinnen oder Handkommunion. Möchte man dieses Verbot bzw. diese Ablehnung aufbrechen, so beginnt man damit, dieses Verbot da und dort zu übertreten. Anfangs wird es vielleicht als skandalös und unerhört abgelehnt, aber es wird sich häufen. Somit kommt es zu einer Gewöhnung. Wird man müde sich dagegen zu wehren, etwa weil es immer häufiger wird oder man nicht als der Schwarze Peter dastehen möchte, der immer dasselbe kritisiert. Wird die Kritik weniger und leiser, beginnen Geist und Gewissen einzuschlafen: Nach der Gewöhnung kommt die Tolerierung. Man nimmt es wohl noch als Übel wahr, aber arrangiert sich irgendwie damit. Dies ist eine mehrdeutige Situation: Es ist vielleicht mit einem Übel verbunden, aber gilt nach und nach dennoch als eine (wenn auch schlechtere) Möglichkeit. Daraus wird dann die Akzeptanz: Vielleicht ist es nicht gerade das, was man persönlich bevorzugen würde, aber es wird nun als prinzipiell machbar und legitim angesehen. Wenn es aber als möglich und legitim angesehen wird, dann muß es konsequenter Weise auch offiziell erlaubt sein: Die Erlaubnis ist also dann der nächste Schritt. Prinzipiell kann und darf man, es besteht aber noch kein eigentliches Recht darauf. Dieses kommt dann im darauffolgenden Schritt: Es wird zu einem Recht, das man gegenüber allen anderen beanspruchen kann. Am Ende der Kette steht dann die schwere Pflicht, wo ursprünglich das strikte Verbot stand. Da Pflicht und Verbot an sich gleich, nur mit unterschiedlichem Vorzeichen sind, geht der Weg auch die umgekehrte Reihenfolge von der Verpflichtung zum Verbot stets über den Weg der Anästhetisierung von Geist und Gewissen.
Wenn wir uns von jeglicher Ideologie befreien und ganz nüchtern und emotionsbefreit analysieren, dann kommen wir nicht umhin anzuerkennen: Der Glaube in den Menschen wurde ausgerechnet durch die neue Liturgie, speziell die neue Messe zerstört. Es war sicher nicht der einzige Grund, ist aber als der wesentliche, zentrale Hauptgrund zu sehen. Denn wenn die Heilige Messe als das Kernstück des katholischen Glaubens benannt wird (was sie an sich auch ist), dann ist es nur logisch und folgerichtig, daß die Menschen das Maß für ihren Glauben an diesem Kernstück anlegen. Wo auch sonst? Wenn nun aber dieses Kernstück selbst sich ändert, mehrdeutig wird und durch Wort, Gestus und Selbstverständnis neue, andere Inhalte vermittelt, dann muß zwangsläufig auch der Glaube sich diesen Mehrdeutigkeiten und Änderungen nachformen und anpassen. Der Mensch tendiert dazu, die Dinge sehr unmittelbar wahrzunehmen und daraus den naheliegendsten Schluß zu ziehen, auch auf einer nicht-intellektuellen Ebene. Komplizierte theologische Erklärungen, wie man eine Mehrdeutigkeit eventuell doch recht verstehen kann, wenn man denn will, können weder die Änderungen rechtfertigen, noch sind sie für den Glauben erbaulich. Es ist undenkbar, daß sich die Heilige Liturgie ändert, der Glaube aber derselbe bleibt. Das mag sehr gelegentlich für einzelne funktionieren, durch ein ganz besonderes Gnadenwirken des lieben Gottes oder weil man sich entsprechend selbst woanders geistlich nährt. Aber sozusagen auf statistischer Größe ist es ein Ding der Unmöglichkeit.
Die neue Liturgie folgt einem vollkommen veränderten Konzept, das den Menschen ins Zentrum rückt: dort, wo einst der Herrgott stand. Sie lenkt den Menschen von Gott ab und richtet ihn auf den Menschen aus, und behindert geradezu das persönliche, innige Gebet während der Messe, indem sie den Menschen gar nicht erst zur (Gebets)Ruhe kommen läßt und ihn ständig gleichsam „beschäftigt“. Dadurch wird aber bestimmt kein Glaube genährt. Er wird folglich vertrocknen und verdunsten. Und genau das ist es, was wir heute tagtäglich sehen und was Ausmaße angenommen hat, die sich nicht mehr beschönigen, verleugnen oder kleinreden lassen.
So paradox und beinahe häretisch es klingen mag: Aber die Mängel im Glauben der Menschen, die Irrtümer und der Glaubensabfall haben zu einem wesentlichen Anteil ihren tiefen Grund in der nachkonziliaren liturgischen Glaubenspraxis.
Wir können die Konsequenzen einer jahrzehntelangen Verstümmelung und Verwässerung der Liturgie nicht übersehen: Es sind auch Schäden, die die Seelen davongetragen haben. Ihr Glaube ist zumeist verwirrt, er entspricht in weiten Teilen nicht mehr dem Katholischen, er ist sehr unvollständig oder ganz versiegt. Die Konsequenzen des wesentlich veränderten Glaubens, die wir jeden Tag sehen, bis in die obersten Etagen des apostolischen Palastes hinauf, werden ihrerseits selbst wieder zur Ursache weiteren Glaubensabfalls. Alles wird heute gerechtfertigt, alles hat Gültigkeit und Berechtigung – außer der Tradition, wie sie die Kirche über Jahrhunderte hinweg, geführt vom Heiligen Geist, erkannt, gelehrt und praktiziert hat.
Wie es um den katholischen Glauben in der Kirche heute bestellt ist, zeigen uns unzählige Beispiele: heidnische Kulte, auch in Präsenz des Papstes, die auch in offizielle Vatikanische Dokumente und Ansprachen Eingang finden, das unverzeihliche Verhalten der Kirche während der Lockdowns, in welchen ganz klar sichtbar wurde, daß die Kirchenfunktionäre den Glauben an das Meßopfer und die Realpräsenz verloren haben. Meßsimulationen durch Laien, wie sie immer häufiger und unverschämter vorkommen, werden als neue Normalität verstanden und auch so behandelt, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Segnungen und weitere liturgische Handlungen werden in immer mehr Bistümern offiziell an Laien übertragen, es gibt Dekanate, in denen man entschieden hat: Kein Priester hält mehr ein Begräbnis und auch kein Requiem, denn man möchte den Laien nichts wegnehmen.
Die Messe verkommt immer häufiger zu einem politischen Propagandamittel für Massenimmigration, Klimawandel und andere tagespolitische Themen, um die Menschen auch noch über die geistlich-moralische Schiene für die politische Linksorientierung zu gewinnen. Heute wählt man ganz weit links, denn man ist ja schließlich katholisch. Am Ende steht die Synodalisierung der Kirche, in welcher ihre göttlich eingestiftete Verfassung aufgehoben werden soll: Von einer geistlich-hierarchischen Grundgestalt der Kirche soll abgesehen und in eine laikal-synodale Kirche übergeführt werden. Diese Entwicklung ist nichts anderes als eine logische, in sich kohärente Fortführung und Umsetzung der Anthropozentrierung, wie sie das letzte Konzil eingeleitet und die Liturgiereform vorgezeigt hat. Der Synodale Weg und seine Forderungen sind eine direkte, folgerichtige Konsequenz des Zweiten Vatikanums und der damit verbundenen Liturgiereform, da er in dieselbe Richtung denkt, nur konsequenter ist und einen Schritt weiter geht. Es wäre töricht und unlogisch zu sagen: „Zweites Vatikanisches Konzil ja, Synode aber nein“. Denn der Bruch erfolgte bereits mit dem letzten Konzil, nicht erst jetzt. Es nicht konsistent zu behaupten, das Zweite Vatikanum stünde noch ganz in der Tradition. Vielleicht erschien es manchen am Anfang so, aber es ist ein Irrtum. Denn das genuin Katholische ist wie eine Rauchwolke: Anfangs erschien es in den Reformen noch kompakt vorhanden, aber das war ein Trug. Es diffundierte immer mehr und mehr, bis es nun schließlich seine Gestalt vollkommen verloren hat und mittlerweile so weit diffundiert ist, daß es nur noch in kleinen Spuren wahrnehmbar ist. Und die neue Liturgie hat einen maßgeblichen Anteil daran.
Zwar ist es richtig, daß diese im Modernismus verhafteten Ideen sehr viel weiter zurückgehen, und bereits vor dem letzten Konzil war nicht mehr alles in Ordnung. Die Reform der Karwochenliturgie ist nur einer von vielen Beweisen, daß es gewiß nicht genügt die Jahreszahl zu betrachten und zu sagen: Vor 1960 ist gut, nach 1960 ist schlecht. Aber der Unterschied ist: Mit dem letzten Konzil hat die Kirche offiziell das vertreten und gefördert, was sie bis dato zu Recht strikt zurückgewiesen hat! Hier ist ein Paradigmenwechsel erfolgt, der nicht als Wachstum und Vertiefung, sondern nur als Bruch und Zerstörung angesehen werden kann.
Wir sehen, wohin es uns geführt hat: Sogar Bischöfe und Kardinäle, ja selbst Päpste sind davon betroffen. Es gibt Bischöfe, die ganz offen sagen, die Kirche müsse sich ändern, man wolle ab jetzt „katholisch sein, aber anders“. Diese Entwicklung unabhängig von der Liturgiereform zu betrachten (die inzwischen selbst wieder zu altmodisch sei und nochmals reformiert werden müsse, wie man immer häufiger hört!) wäre kurzsichtig und ein großer Irrtum.
Von daher stellt sich die berechtigte Frage: Was soll man tun? Wie kommen wir aus dieser Krise wieder heraus? Dabei stellen sich zwei Grundoptionen zur Auswahl: Entweder versuchen wir das wenige, was noch übrig ist, zu retten und dann wieder zu mehren, wie einen Weinstock, dem man die kräfteraubenden Wassertriebe (den Modernismus) wegschneidet, auf daß die Reben hernach erstarken, oder wir gehen weiter in die Richtung, die uns dahin geführt hat, wo wir jetzt stehen, und treiben das Ganze noch weiter an den Abfall, und warten somit noch ein Weilchen, bis die zu Tode reformierten Teile der Kirche ganz von alleine verschwinden, weil sie keinen mehr überzeugen und ihr die Leute – ganz zurecht – fernbleiben. In beiden Fällen steht dasselbe Ende: Übrigbleiben wird nur die Tradition, weil alles andere ganz von allein verschwindet und einfach aussterben wird. Wir sehen ja bereits jetzt schon, was am Absterben ist und was am Erstarken! Auch wenn Zahlen für sich genommen kein zulängliches Kriterium sind, da nicht die Mehrheit über Wahrheit entscheidet, so sehen wir dennoch ganz deutlich einen verständlichen Trend, daß sich die Leute von einer Kirche und ihrer Liturgie abwenden, die ihnen doch angeblich entgegenkommen wollte und sich deshalb geändert hat und „menschlicher“ und „modern(istisch)er“ geworden ist. Die Kirchen, welche hingegen die traditionelle Liturgie zelebrieren und die katholische Lehre vollständig darlegen, erfahren allen Versuchen dies zu unterdrücken zum Trotz einen enormen Zuwachs. In einer nicht allzu fernen Zukunft wird man entweder traditionell katholisch sein – oder eben gar nicht mehr katholisch.
Deshalb wäre es das Vernünftigste, die neue Messe aufzugeben und wieder ganz zur klassischen Liturgie zurückzukehren, bevor dies die natürliche Entwicklung der Dinge selbst erledigt. Denn die neue Liturgie, und die damit verbundene Theologie, sind einfach zu entkernt und ausgehöhlt, um standzuhalten. Sie sind bereits jetzt am Implodieren, und wir alle sehen es vor unseren Augen.
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