Benedikt XVI. begeht den 93. Geburtstag

Am heutigen 16. April beginnt für Benedikt XVI. das 94. Lebensjahr.

(Rom) Heute vollendet Benedikt XVI. sein 93. Lebensjahr. Seinen Geburtstag verbringt das vormalige Kirchenoberhaupt ohne den Besuch durch Gratulanten. Wegen der Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus wurde darauf verzichtet, wie Kurienerzbischof Georg Gänswein sagte. Der Zutritt zum Vatikan unterliegt starken Restriktionen. Der Privatsekretär Benedikts teilte zugleich mit, daß im Kloster Mater Ecclesiae alle wohlauf sind.

Benedikt XVI. wurde am 16. April 1927 als Joseph Ratzinger im oberbayerischen Marktl am Inn als Sohn eines Bayern und einer Tirolerin geboren. Am 29. Juni 1951 wurde er für das Erzbistum München und Freising zum Priester geweiht. Als junger Theologe konnte er als Peritus an den Arbeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils mitwirken, was er an der Seite von Karl Rahner SJ und Hans Küng tat. Von diesen trennte er sich bald nach dem Konzil, als er dessen Umsetzung beobachtete und durch die Studentenproteste von 1968 und ihre innerkirchlichen Auswirkungen irritiert wurde.

Die beiden Richtungen, die sich dadurch in der Kirche formierten, sammelten sich um zwei theologische Fachzeitschriften. Die progressiven Hermeneutiker des Bruchs um die Zeitschrift Concilium, darunter Küng, die anderen, darunter Ratzinger und die Hermeneutik der Kontinuität, um die Zeitschrift Communio. Dadurch wurde er zu einem Bezugspunkt jener Kräfte in der Kirche, die dem „Geist des Konzils“ mehr oder weniger mißtrauten. Diese Rolle, die er nicht suchte, die ihm aber zuwuchs, verstärkte sich durch seinen Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie.

1977 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising und kreierte ihn noch im selben Jahr zum Kardinal. Im November 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. als Präfekt der Glaubenskongregation an die Römische Kurie. Dadurch entstand jene Symbiose, die trotz aller Unterschiede an Charakter, Formung und Schwerpunkten ein „Doppelpontifikat“ begründete, das mit Akzentverschiebungen von 1981 bis 2013 die Kirche – gegen Widerstände – prägte.

Widerstände kamen außerkirchlich vom immer dominanter werdenden linksliberalen Establishment, innerkirchlich von Ratzingers einstigen Weggefährten der Konzilszeit. Als besonders renitent und schwierig erwies sich dabei der deutsche Sprachraum, wo seit Jahrhunderten das gesellschaftliche Leben durch die Spaltung der Reformation geprägt ist, in die der ökumenische Paradigmenwechsel des Zweiten Vaticanums hineinstieß und eine offene oder latente Protestantisierung des katholischen Denkens auslöste. Dieser Prozeß, der auf theologischer Ebene begann, sich von dort durch die Ausbildung auf die jüngeren Generationen ausweitete und über diese zur Umerziehung der Gläubigen führte, ist weit fortgeschritten, sodaß ihn manche Hierarchen, Theologen und Gläubige gar nicht mehr als solchen wahrgenommen und erkennen.

Als Beispiel ante litteram für Fake News erwies sich die trommelnde Denunziation, mit der Ratzinger als „Panzer-Kardinal“ diskreditiert wurde. Den unrühmlichen Anfang dabei machten deutsche Medien, die namentlich genannt werden könnten. Sie wurden auch zu Stichwortgebern für die ausländische Presse. In Wirklichkeit erwies sich Benedikt XVI. seinem Charakter entsprechend als überaus sanftmütiger Papst. Der Kontrast zu seinem Nachfolger verdeutlicht es.

Die kommunistische Tageszeitung Il Manifesto berichtete 2005 die Wahl Ratzingers zum Papst mit einem Wortspiel-Titel, der sowohl als „Der deutsche Hirte“ als auch „Der deutsche Schäferhund“ gelesen werden konnte. Die Niedertracht dieses Beispiels zeigt die unerbittliche Feindseligkeit, mit der dem sanften Theologen aus Bayern begegnet wurde, ohne daß er sich wirklich dagegen wehren konnte, denn kaum etwas fällt oft schwerer, als sich gegen ungerechtfertigte persönliche Angriffe zur Wehr zu setzen.

Manche hätten sich durch Benedikt eine stärkere Führung in der Kirchenleitung gewünscht. Er erteilte aber nicht Befehle und übte keinen Zwang aus, sondern bemühte sich, durch sein Beispiel indirekt zu führen und zu überzeugen. Das Ergebnis fällt entsprechend ambivalent aus, zumal er sein Wirken durch den überraschenden und historisch beispiellosen Amtsverzicht ganz in Hand seines Nachfolgers legte.

Durch den Rücktritt 2013 machte Benedikt möglich, was damals viele für unmöglich gehalten hatten. Sein Nachfolger wurde im Vorfeld des Konklaves im näheren und weiteren Umfeld der sogenannten „Ratzingerianer“ gesucht. Weit gefehlt. Die wählenden Kardinäle, obwohl zu zwei Dritteln von Benedikt ernannt, wählten mit Zweidrittel-Mehrheit seinen Gegenspieler von 2005, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, auf den Stuhl des Petrus.

Martin Mosebach urteilte mit wahrnehmbarer Enttäuschung über den Rücktritt, wie sie von vielen Katholiken weltweit empfunden wurde, und ganz nüchtern, daß vom Pontifikat des achten deutschen Papstes in der Kirchengeschichte wahrscheinlich nur sein Motu proprio Summorum Pontificum Bestand haben werde. Damit verschaffte er der überlieferten Form des Römischen Ritus und der Tradition ein Stück mehr an Heimstatt in der Kirche, die ihr Ende der 60er Jahre entzogen worden war. Dieser Schritt setzte eine Nachfolge im Geiste Benedikts voraus. Wie wenig er sich dessen aber zum Zeitpunkt seines Rücktritts sicher sein konnte, zeigten die weiteren Ereignisse. Ihm hätte das mehr bewußt sein müssen als anderen. Allerdings verstanden es nicht wenige, auch ranghohe Hierarchen, zum Mittel der Mimikry zu greifen, um die eigene Karriere voranzutreiben oder auch bewußt zu täuschen. Sich dessen in einem konkreten, schmerzlich berührenden Punkt bewußt zu werden, kann schwer desillusionierend sein. Benedikt XVI. erlebte zahlreiche Enttäuschungen, von denen nur wenige öffentlich bekannt wurden. Die Sabotage seines Versuchs, den heiligen Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney, zum Patron der Priester und ihrem Modell zu erheben, ist nur ein Beispiel dafür.

Mosebachs Analyse ist auch sieben Jahre später nichts hinzuzufügen, was Regierungsakte der Ära von Benedikt XVI. anbelangt. Was sein Wirken insgesamt betrifft, wäre deutlich mehr zu sagen, nicht zuletzt sein reiches theologisches und schriftstellerisches Schaffen. Zu nennen ist aber auch seine Stimme, die er noch immer vernehmen läßt. Darin liegt zwar ebenso eine Ambivalenz wie in seinem Rücktritt und seinem nicht wirklich geklärten Verhältnis zum Zweiten Vaticanum, doch zeigt es seine Fähigkeit und Entschlossenheit, auf seine Art, die Rolle eines Kontrapunktes zum Pontifikat von Papst Franziskus zu übernehmen. Zuletzt geschah dies zusammen mit Kardinal Robert Sarah gegen massive Versuche, den priesterlichen Zölibat auszuhebeln und einen Anteil für Frauen am Weihesakrament reklamieren zu wollen.

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches „Aus der Tiefe des Herzens“ (fe-Medienverlag, Kißlegg 2020) wurde Kurienerzbischof Georg Gänswein von Papst Franziskus bestraft. Er „beurlaubte“ ihn als Präfekten des Päpstlichen Hauses, was einer etwas elegantere Form der Suspendierung gleichkommt. Seither sind fast zweieinhalb Monate vergangen, in denen das derzeitige Kirchenoberhaupt demonstriert, ohne dieses uralte Amt der Kirche auszukommen. Bereits im Januar 2019 waren insistente Gerüchte aufgetreten, daß Franziskus die Abschaffung dieser Präfektur überlegt. Am 7. Dezember 2017 war das fünfjährige Mandat Gänsweins als Präfekt abgelaufen. Eine Bestätigung im Amt durch Franziskus erfolgte seither nicht. Damit ließ er den Titularerzbischof und Privatsekretär seines Vorgängers gewiß nicht unabsichtlich im Raum hängen. Msgr. Gänswein kümmert sich seit Februar wieder ungeteilt um Benedikt XVI.

Die vielleicht wichtigste Bedeutung von Benedikt XVI. läßt sich aber weder quantifizieren noch wirklich fassen: Es ist das Vorbild, das er seinen Schülern an der Universität, den Priestern als Bischof und Papst und den Gläubigen als ihr Hirte war und ist. Damit ist weder eine unangemessene Personalisierung und schon gar nicht ein falscher „Personenkult“ gemeint, sondern jenes Lehrer-Schüler-Verhältnis (Hirte-Gläubige-Verhältnis) von dem die Christenheit seit dem Auftreten Jesu Christi und durch sein Beispiel und Vorbild des Meister-Jünger-Verhältnisses geprägt ist.

Benedikt XVI. regierte fast acht Jahre als Nachfolger des Petrus, um genau zu sein: sieben Jahre, zehn Monate und neun Tage.

Papst Franziskus regiert bereits sieben Jahre, einen Monat und drei Tage. In weniger als einem Jahr, am 22. Januar 2021, werden beide Päpste gleich lang regiert haben.

Die Existenz eines regierenden und eines „emeritierten“ Papstes, wie sich Benedikt XVI. selbst bezeichnet, wirft nach wie vor ungeklärte Fragen auf. Bemerkenswert ist, daß Benedikt XVI. in gewisser Weise das ganze Pontifikat von Franziskus überschattet oder überstrahlt, was wohl eine Frage des Blickwinkels ist, und dieses manchmal sogar bedingen kann. Nicht wenigen Katholiken, die sich am 28. Februar 2013 verwaist fühlten, als Benedikt XVI. den Rücktritt wahrmachte und den Vatikan verließ, gibt es Sicherheit, daß der deutsche Papst noch lebt, im Vatikan anwesend ist und das derzeitige Pontifikat irgendwie „überwacht“. Diese Sichtweise mag im Gesamten überzeichnet sein, ist aber auch nicht ganz unzutreffend.

Gott gefällt es jedenfalls, Benedikt XVI. ein langes Leben zu schenken. Gerade auch, weil keine Besuche im Kloster Mater Ecclesiae möglich sind, sollen von dieser Stelle aus Benedikt XVI. zu seinem 93. Geburtstag Glück- und Segenswünsche übermittelt werden. Und viele werden auch und trotz allem ein schlichtes, aber dankbares Vergelt’s Gott hinzufügen.

Quelle: katholisches, G. Nardi Bild: Vatican.va (Screenshots)

Ein Gedanke zu „Benedikt XVI. begeht den 93. Geburtstag

  1. Edith S.

    Bin auch dieser Meinung. Papst Benedikt ist sehr bescheiden und strahlt Güte aus. Er ist sanft und neigt nicht zur Strenge.

    Mit freundlichen Grüßen

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