Auf einem Auge blind

Bischofskonferenz erweist sich auf einem Auge blind und beurteilt Summorum Pontificum überwiegend negativ.

Frankreichs Bischofskonferenz beurteilt Summorum Pontificum negativ.

(Paris) Die Mehrheit von Frankreichs Bischöfen ist der Ansicht, das Motu proprio Summorum Pontificum habe keine guten Früchte gebracht. Den entsprechenden Fragebogen der Glaubenskongregation beantwortete die Französische Bischofskonferenz negativ und hebt sich damit vom positiven Gesamttenor der Rückmeldungen ab.

Im April 2020 versandte die römische Kongregation für die Glaubenslehre allen Diözesanbischöfen und Territorialoberen weltweit einen Fragebogen zum Motu proprio Summorum Pontificum. Mit diesem hatte Papst Benedikt XVI. 2007 dem überlieferten Ritus in der lateinischen Kirche wieder Geltung und Spielraum verschafft, wie sie ihm seit der Liturgiereform von 1969/70 verwehrt worden waren. Der Fragebogen dient Rom für eine Bestandsaufnahme der Umsetzung des Motu proprio und der damit gemachten Erfahrungen.

Das Bekanntwerden der römischen Initiative sorgte in traditionsverbundenen Kirchenkreisen für einige Unruhe. Im Gefolge der Liturgiereform hatten sie, vor allem in den 70er Jahren, bittere Erfahrungen machen müssen: Der überlieferte Ritus wurde unterdrückt, Priester, die an ihm festhielten, mußten Schikanen und Strafversetzungen erdulden und allgemein wurde so getan, als sei der Ritus, wie er durch die Jahrhunderte bis zum Vortag gegolten hatte, verboten.

Erst in den 80er Jahren unter Johannes Paul II. kam es vonseiten Roms zu ersten versöhnlichen Schritten. Mit Summorum Pontificum stellte Papst Benedikt XVI. schließlich klar, daß der überlieferte Ritus nie verboten war und ein solches Verbot auch undenkbar wäre. Vor allem erlaubte er allen Diözesan- und Ordenspriestern ihn ohne spezielle Erlaubnis der Oberen zu zelebrieren.

Im „Mutterland“ der Tradition reibt es sich

Obwohl die Glaubenskongregation jeden Bischof und Territorialoberen persönlich befragte, erfolgte die Beantwortung des Fragebogens vielfach kollektiv durch die örtliche Bischofskonferenz. Nicht aber in Frankreich, wo die Bischöfe die Antworten einzeln abgaben, aber die Bischofskonferenz dann eine begleitende Zusammenfassung erstellte, mit dem im Gesamtbild ein negatives Urteil nach Rom übermittelt wurde. Frankreich gilt als „Mutterland“ der Tradition. Dort konnte sie sich trotz Aufbegehren der kirchlichen 68er Bewegung und den nachkonziliaren Umbrüchen am stärksten behaupten, was untrennbar mit der Gestalt von Erzbischof Marcel Lefebvre zusammenhängt, der zum öffentlich sichtbaren Wortführer des Widerstandes gegen die Neuerungen wurde.

Entsprechend stark reiben sich bis heute die beiden Lungenflügel in Frankreichs katholischer Brust. Es sind „zwei Welten, die sich nicht treffen“, so beschreibt die Bischofskonferenz der Glaubenskongregation das Verhältnis von überliefertem und neuem Ritus bzw. der jeweiligen Priester und Gläubigen. InfoCatolica schrieb dazu:

„Die Bischöfe Galliens glauben, daß das Motu Proprio Summorum Pontificum von 2007, mit dem Papst Benedikt XVI. die Feier der Messe in ihrer letzten Form vor der Liturgiereform normalisierte, gut gemeint war, aber nicht die erwarteten Früchte trug.“

Das negative Gesamturteil wurde mit einem ideologischen Seitenhieb flankiert. Es wurden „monarchistische und rigoristische Tendenzen“ unter den Gläubigen beklagt, die der heiligen Messe im überlieferten Ritus beiwohnen.

Keine Erwähnung findet, daß die Liturgiereform angesichts sich leerender Kirchen noch weniger den Anspruch erheben könnte, „die erwarteten Früchte“ getragen zu haben. 

95 Prozent der Diözesen haben geantwortet

Insgesamt haben bis auf fünf alle französischen Diözesen (ausgenommen jene der mit Rom unierten Ostkirchen) den Fragebogen beantwortet. Nur in vier Diözesen gibt es keinen Meßort des überlieferten Ritus, während die meisten Diözesen einen oder zwei Meßorte angeben.

Einige Diözesen haben Personalpfarreien errichtet und damit eine eigene Jurisdiktion für die Gläubigen des überlieferten Ritus geschaffen.

In 24 Diözesen werden die Meßorte von der Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP) betreut, in 18 Diözesen von Diözesanpriestern, darunter auch ein emeritierter Bischof, und in 16 Diözesen vom Institut Christus König und Hohepriester (ICRSS).

Die bedeutendsten Zentren des überlieferten Ritus sind die Diözesen Fréjus-Toulon, Paris und Versailles. Das Bistum Fréjus-Toulon wird von Msgr. Dominique Rey, einem der Tradition nahestehenden Bischof, geleitet. In seiner Diözese gibt es zehn ständige Meßorte im überlieferten Ritus. Im Erzbistum Paris sind es sechs und in Versailles sieben, an denen an Sonntagen regelmäßig siebzehn heilige Messen zelebriert werden.

Der Bischofsstuhl von Versailles ist derzeit allerdings vakant. Am 17. Dezember 2020 nahm Papst Franziskus, zwei Monate bevor Bischof Eric Marie Aumonier sein 75. Lebensjahr vollendete, dessen kanonisch vorgeschriebenes Rücktrittsgesuch an. Msgr. Aumonier, der zuvor Weihbischof von Paris war, hatte die Diözese seit 2001 geleitet.

Instrumentelles Verständnis von Summorum Pontificum

Erwartungsgemäß negativ fiel das Kapitel über das Verhältnis zur Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) aus. Die Bischöfe billigen insgesamt Summorum Pontificum jedoch zu, daß das Motu proprio eine noch größere Spaltung und Abwanderung von Gläubigen zur Piusbruderschaft verhindert habe. Allerdings sei das nicht der einzige mögliche Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Die Bischöfe in ihrer Mehrzahl geben zudem zu verstehen, daß sie Summorum Pontificum nicht im Sinne Benedikts XVI. als meritorisch – liturgisch wie ekklesiologisch – richtig und als notwendigen Akt der Versöhnung sehen, sondern vor allem instrumentell. Das Motu proprio habe nämlich nicht dazu geführt, so die Bischofskonferenz, daß die Piusbruderschaft zur vollen Einheit mit Rom zurückgekehrt ist.

Einige Bischöfe haben positiv darauf hingewiesen, daß aufgrund der beiden Formen des römischen Ritus eine Offenheit gegenüber anderen Formen der Spiritualität entstanden ist. Die meisten Bischöfe aber beklagen Tendenzen zur Isolation, die sie einseitig auf der traditionsverbundenen Seite zu erkennen glauben. Auch darin zeigt sich, daß von vielen Bischöfen das Anliegen Benedikts XVI., auch dreizehn Jahre nach Inkrafttreten von Summorum Pontificum, nicht verstanden und erst recht nicht rezipiert wurde.

Frankreichs Bischöfe attestieren, daß durch das Motu proprio in der Ortskirche ein faktischer „Biritualismus“ entstanden ist.

Ein Bischof stößt sich daran: „Die Eucharistie, die einen sollte, trennt“. Andere stellten aber positiv fest, daß durch die größere Präsenz der „außerordentlichen Form des Römischen Ritus“, wie der überlieferte Ritus im Motu proprio genannt wird, Möglichkeiten für eine größere Einheit mit den Ortskirchen entstanden sind.

Nach Meinung der Mehrheit der französischen Bischöfe überwiegen jedoch die negativen Erfahrungen mit dem überlieferten Ritus die positiven deutlich.

Nicht thematisiert wird, daß mit der Liturgiereform und anderen nachkonziliaren Einschnitten die Priesterberufungen massiv eingebrochen sind. Zahlreiche französische Diözesen haben keine Seminaristen, andere nur einen oder zwei. Auch hier gibt es nur wenige herausragende Ausnahmen. An erster Stelle mit Abstand wieder Fréjus-Toulon, Paris und Versailles. Gleichzeitig verschiebt sich unter den Seminaristen das Verhältnis sukzessive zugunsten der Priesterseminare und Gemeinschaften der Tradition.

Die Wünsche der Bischöfe

Was die vorgeschlagenen Verbesserungen betrifft, wünschen sich die Bischöfe vor allem eine stärkere Beteiligung der Gläubigen des überlieferten Ritus am Leben der Diözese, eine größere Einheit im liturgischen Kalender der beiden Formen des Römischen Ritus und die Förderung einer einheitlichen Leseordnung.

Unabhängig davon sprechen sich die Bischöfe in ihrer Mehrheit für die Aufhebung von Summorum Pontificum aus, wenngleich dieser Wunsch nicht so direkt formuliert wird. Die Abneigung gegen die Tradition ist jedoch ungebrochen.

52 amtierende Oberhirten der 95 lateinischen Diözesen Frankreichs (einschließlich Militärordinariat) wurden von Papst Franziskus ernannt.

Da Benedikt XVI. klarstellte, daß die überlieferte Form des Römischen Ritus nicht aufgehoben oder gar verboten wurde und es zweifelsfrei legitim ist, das Meßopfer in der Editio typica des Römischen Ritus von 1962 zu zelebrieren, ist es trotz ihres negativen Urteils „fraglich, ob Frankreichs Bischöfe eine Aufhebung anstreben“, so InfoCatolica.

Weltweit gesehen überwiegt die positive Beurteilung von Summorum Pontificum. Im deutschen Sprachraum etwa haben sich seither die Meßorte im überlieferten Ritus vervierfacht.

Quelle: katholisches G. Nardi Bild: InfoCatolica

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