Die Anklage von Papst Franziskus

Papst Franziskus attackierte bei der heutigen Generalaudienz erneut jene, die in die Vergangenheit „zurückkehren“ und an den „Gewißheiten vergangener Traditionen“ festhalten wollten.

„Die Versuchung, sich in Gewissheiten vergangener Traditionen einzuschließen“

(Rom) Im Rahmen der heutigen Generalaudienz sprach Papst Franziskus über die Missionsarbeit des Apostels Paulus bei den Galatern. Das Kirchenoberhaupt schlug dabei eine Brücke zum Heute, um eine massive Breitseite gegen die „Besitzer der Wahrheit“ und die „Starren“ abzufeuern. Ein Lieblingsthema des Papstes. Er führte aus, wie man „jene Leute erkennen“ könne, in denen er die gefährlichsten, vielleicht einzigen wirklich bedrohlichen Gefährder der Kirche und der Evangelisierung zu sehen scheint.

Franziskus führte aus, daß nicht genau bekannt sei, wann Paulus seinen Brief an die Galater schrieb. Bekannt sei hingegen, daß es sich bei den Galatern um eine keltische Bevölkerung handelte, die sich bis nach Kleinasien vorgeschoben hatte, und deren Hauptstadt Ankara (Ancyra) war.

Paulus habe „nicht sofort eine großartige Kathedrale gebaut, nein“, er habe zunächst „die kleinen Gemeinschaften“ geschaffen, „die heute der Sauerteig unserer christlichen Kultur sind“.

Paulus habe dann aber auch gleich eine „pastorale Sorge“ gehabt, denn er habe „die Gefahren der Kinder“ erkannt, die mit dem „Wachstum des Glaubens kommen“. Als historisches Beispiel führte Franziskus „einige Christen“ an, „die aus dem Judentum stammten“ und die jungen Gemeinschaften „infiltriert“ hatten. Dort begannen sie „listig Theorien zu verbreiten, die der Lehre der Apostel widersprachen“. Konkret ging es dabei um den Versuch, die getauften Heidenchristen unter das jüdische Gesetz zu zwingen und sie zu beschneiden. Sie versuchten dafür, die Autorität des Apostels zu untergraben.

„Wie Ihr seht, ist das eine uralte Praxis, sich bei manchen Gelegenheiten als der einzige Besitzer der Wahrheit – als die Reinen – darzustellen und die Arbeit anderer, sogar durch Verleumdung, herabzusetzen.“ 

Wäre es nach diesen gegangen, hätten die Galater „ihre Identität aufgeben müssen“. Die Gegner des Paulus argumentierten, daß Paulus „kein wahrer Apostel“ sei und daher „keine Autorität“ hätte. Zu „verunglimpfen“ sei der „übliche Weg“. Es würden der Pfarrer oder der Bischof diskreditiert. 

Nach der Bibelstelle, dem historischen Kontext und einer Überleitung folgte der Kern der Katechese:

„Dieser Zustand ist nicht weit von der Erfahrung entfernt, die viele Christen in unserer Zeit leben. Tatsächlich mangelt es auch heute nicht an Predigern, die gerade durch die neuen Kommunikationsmittel die Gemeinden aufregen können. Sie präsentieren sich nicht in erster Linie, um das Evangelium Gottes zu verkünden, der den Menschen in Jesus dem Gekreuzigten und Auferstandenen liebt, sondern um mit Nachdruck darauf zu bestehen, als wahre ‚Hüter der Wahrheit‘ – wie sie sich nennen –, welches die beste Art sei, Christen zu sein. Und sie behaupten mit Nachdruck, daß das wahre Christentum das ist, dem sie verbunden sind, das oft mit bestimmten Formen der Vergangenheit identifiziert wird, und daß die Lösung für die heutigen Krisen darin besteht, dorthin zurückzukehren, um den unverfälschten Glauben nicht zu verlieren. Kurz gesagt besteht auch heute wie damals die Versuchung, sich in einigen, in vergangenen Traditionen gewonnenen Gewißheiten einzuschließen. Aber wie können wir diese Leute erkennen? Eine der Spuren der Art ihres Vorgehens ist beispielsweise die Starrheit. Angesichts der Verkündigung des Evangeliums, die uns frei macht, uns Freude macht, sind sie starr. Immer die Starrheit: Man muß das tun, man muß jenes tun … Starrheit ist diesen Leuten eigen. Der Lehre des Apostels Paulus im Brief an die Galater zu folgen wird uns gut tun, um zu verstehen, welchen Weg wir einschlagen sollen. Der vom Apostel gewiesene Weg ist der befreiende und immer neue Weg des gekreuzigten und auferstandenen Jesus; es ist der Weg der Verkündigung, der durch Demut und Brüderlichkeit verwirklicht wird. Die neuen Prediger wissen nicht, was Demut ist, was Brüderlichkeit ist. Es ist der Weg des sanftmütigen und gehorsamen Vertrauens. Die neuen Prediger kennen weder Sanftmut noch Gehorsam. Und dieser sanfte und gehorsame Weg geht weiter in der Gewißheit, daß der Heilige Geist in jedem Zeitalter der Kirche wirkt. Letztendlich trägt uns der Glaube an den in der Kirche gegenwärtigen Heiligen Geist voran und wird uns retten.“

Aus einer Vielzahl ähnlicher Wortmeldungen von Papst Franziskus ist bekannt, wen er mit den „Starren“ meint. Auch in seiner heutigen Katechese wird dies deutlich. Es sind die Vertreter der Tradition. Franziskus hält das Festhalten am überlieferten Ritus für eine „starre“ Rückwärtsgewandtheit, die ihm völlig unverständlich ist. Das ständige Wiederholen derselben Anklage zeigt, daß Franziskus sich in den mehr als acht Jahren seines Pontifikats in dieser Frage keinen Millimeter bewegt hat. Und offenbar auch keine Versuche unternimmt, Zugang zu diesem ihm fremden Verständnis zu gewinnen. Bemerkenswert ist nicht nur die Insistenz, sondern auch die Einseitigkeit der Kritik, die vielmehr eine Anklage ist. Die Tradition als größte Gefahr?

Quelle: katholisches, G.N. Bild: Vatican.va (Screenshot)

Kongregation der Herz Jesu Franziskaner Pater Andreas Endl

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