Zur Frage eines häretischen Papstes

Bischof Athansius Schneider legt mit einem aufsehenerregenden Text den Finger in eine Wunde, um auf sie aufmerksam zu machen, aber auch, um mögliche Lösungen aufzuzeigen und Orientierung zu geben. Ein Text, der für Diskussionen sorgen wird.

„Kann die Kirche einen häretischen Papst ertragen? – Die Antwort von Bischof Athanasius Schneider

Die Kirchenkrise und die Glaubenskrise haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Dies kommt in einem Text zum Ausdruck, den Weihbischof Athanasius Schneider heute vorlegte. Darin befasst er sich mit der Frage eines häretischen Papstes, und wie die Kirche, die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester, die Gläubigen damit umgehen können.
Die Beschäftigung mit dieser hypothetisch vorgetragenen Fragestellung verdeutlicht die dramatische Unruhe, die das Pontifikat von Papst Franziskus in der katholischen Kirche hervorbringt. Bischof Schneider bleibt nicht auf der bloß theoretischen Ebene stehen.

Der Text ist als Diskussionsbeitrag gedacht, der helfen soll, Orientierung zu geben und auftretende Fragen zu klären. Weihbischof Schneider, einer der profiliertesten Bischöfe der katholischen Kirche, sagt darin, dass die Kirche selbst einen häretischen Papst überleben kann, und selbst ein häretischer Priester, Bischof oder auch Papst die Sakramente gültig verwalten und in seiner Jurisdiktion gültige Amtshandlungen setzen kann – sofern seine Zeit begrenzt bleibt.

Davon ist der Weihbischof, der dem Kreuzorden angehört, überzeugt: Die Göttliche Vorsehung werde zu gegebener Zeit rechtzeitig eingreifen.

Mit diesem Text meldet sich der Weihbischof zum zweiten Mal seit seinem Ad-limina-Besuch zu Wort und ist bemüht, den von Papst Franziskus bedenklich gespannten Bogen nicht reißen zu lassen, weil er darin eine Pflicht gegenüber der Kirche sieht. Zugleich greift er erneut die Frage des umstrittenen Dokuments für eine menschliche Brüderlichkeit von Abu Dhabi auf und lässt erkennen, dass er die Antwort, die ihm Papst Franziskus auf mehrfache Nachfrage bei der Audienz im Rahmen des Ad-limina-Besuches gab, für unzureichend hält.

Eines steht bereits fest: Es sind Überlegungen, die für Diskussionen sorgen werden

Zur Frage eines häretischen Papstes

Die Frage, wie mit einem häretischen Papst umzugehen ist, wurde in der katholischen Tradition noch nicht in dem Maße behandelt, dass man von einem allgemeinen Konsens oder auch nur einer Annäherung an etwas sprechen könnte, das einem solchen ähneln würde. Weder ein Papst noch ein ökumenisches Konzil haben bisher einschlägige Lehraussagen zu einer solchen Eventualität formuliert; ebenso-wenig wurden verbindliche kanonische Normen erlassen über den möglichen Umgang mit einem Papst, der während seiner Amtszeit zum Häretiker wird, bzw. als solcher handelt.

In der langen Kirchengeschichte mit ihren 266 Päpsten gibt es keinen Papst, der sein Petrusamt wegen Häresie oder mutmaßlicher Häresie verloren hat. Papst Honorius I. (625–638) wurde erst nach seinem Tod durch drei Ökumenische Konzile exkommuniziert wegen des Vorwurfs, die häretische Lehre des Monotheletismus begünstigt zu haben. Papst Leo II. (682–683) bestätigte die Dekrete des Dritten Konzils von Konstantinopel und verhängte 40 Jahre nach dessen Tod den Kirchenbann über Honorius II. („anathematizamus Honorium“). Der Kirchenbann bedeutete die Feststellung, dass er sich außerhalb der Kirche gestellt hatte und somit sich selbst überlassen war:

„Honorius, der diese apostolische Kirche nicht mit der Lehre der apostolischen Überlieferung erleuchtete, sondern versuchte, in unheiligem Verrat den unbefleckten Glauben umzustürzen“ (Denzinger, 563).

Der Liber Diurnus Romanorum Pontificum, eine umfangreiche Sammlung von Formeln, die bis zum 11. Jahrhundert in der päpstlichen Kanzlei verwendet wurden, enthält den Text für den päpstlichen Eid, mit dem jeder neue Papst bei Amtsantritt schwören musste, das sechste ökumenische Konzil anzuerkennen, das die Urheber der monotheletischen Häresie mit dem ewigen Anathema bestrafte (PL 105, 40–44).

In einigen Brevieren vom 16.–18. Jahrhundert wurde Papst Honorius I. in der Matutin des 28. Juni, dem Gedenktag des heiligen Papstes Leo II., als Häretiker genannt.

„In synodo Constantinopolitano condemnati sunt Sergius, Cyrus, Honorius, Pyrrhus, Paulus et Petrus, nec non et Macarius, cum discipulo suo Stephano, sed et Polychronius et Simon, qui unam voluntatem et operationem in Domnino Jesu Christo dixerunt vel praedicaverunt.“

Die Beharrlichkeit dieser Lesung im Brevierjahr durch viele Jahrhunderte hindurch zeigt, dass viele Generationen von Katholiken kein Ärgernis daran nahmen, dass ein bestimmter Papst in einem äußerst seltenen Fall der Häresie oder der Unterstützung der Häresie für schuldig befunden wurde. Zu diesen Zeiten wussten die Gläubigen und die Hierarchie klar zu unterscheiden zwischen der unzerstörbaren Kraft des katholischen Glaubens, die vom Lehramt der Cathedra Petri garantiert wird, und der Untreue und dem Verrat eines konkreten Papstes bei der Ausübung seiner Lehrfunktion.

John Chapman erklärte in seinem Buch „The Condemnation of Pope Honorius“ (Die Verurteilung des Papstes HonoriusLondon 1907), dass dasselbe Dritte Ökumenische Konzil von Konstantinopel, das über Papst Honorius I. den Kirchenbann verhängte, eine klare Unterscheidung zwischen dem Irrtum eines bestimmten Papstes und der Unfehlbarkeit im Glauben des apostolischen Stuhles an sich vornahm. In dem Schreiben, in dem Papst Agatho (678–681) gebeten wurde, die Konzilsbeschlüsse zu bestätigen, bekräftigten die Konzilsväter des Dritten Ökumenischen Konzils von Konstantinopel, dass Rom einen unfehlbaren Glauben hat, der mit Autorität durch die Bischöfe des Apostolischen Stuhles, den Nachfolgern des Petrus, für die gesamte Kirche verkündet wird.
Man könnte fragen: Wie war es möglich, dass das Dritte Ökumenische Konzil von Konstantinopel einerseits das bekräftigte und gleichzeitig einen Papst als Ketzer verurteilte? Die Antwort ist ausreichend klar. Papst Honorius I. war fehlbar, er lag falsch, er war ein Häretiker, gerade weil er nicht mit Autorität bekräftigt hatte, was er hätte bekräftigen sollen, nämlich die Petrinische Überlieferung der römischen Kirche. Er hatte sich nicht an diese Tradition gehalten, sondern stattdessen eine falsche Lehre gebilligt und erweitert. Sobald die Worte von Papst Honorius I. von seinen Nachfolgern abgelehnt wurden, waren sie aber machtlos gegen die Unfehlbarkeit im Glauben des Apostolischen Stuhls. Sie wurden auf ihren tatsächlichen Wert reduziert, nämlich den, dass es sich nur um seine persönlichen Ansichten handelte.

Der heilige Papst Agatho wurde durch das bedauerliche Verhalten seines Vorgängers Honorius I, der zur Verbreitung der Häresie beitrug, nicht verwirrt und erschüttert, sondern behielt seine übernatürliche Sicht von der Unfehlbarkeit der Cathedra Petri bei der Glaubensunterweisung, wie er den Kaisern in Konstantinopel schrieb:

„Das ist die Norm des wahren Glaubens, den diese geistliche Mutter deiner friedlichen Herrschaft, die Apostolische Kirche Christi (der Stuhl von Rom), immer mit Energie bewahrt und verteidigt hat sowohl im Wohlergehen als auch in Widrigkeiten; die, wie durch die Gnade des Allmächtigen Gottes bewiesen, weder je vom Weg der apostolischen Tradition abgeirrt ist noch soweit verdorben wurde, den häretischen Neuerungen nachzugeben, sondern von Anfang an den christlichen Glauben ihrer Gründer, den Apostelfürsten Christi, bewahrt hat und darin ausharren wird bis zum Ende gemäß der Göttlichen Verheißung des Herrn und Heilands selbst, die er in den heiligen Evangelien dem Fürsten seiner Jünger gab: ‚Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder‘ (Lk 22,31–32).“

Dom Prosper Guéranger gab eine kurze und anschauliche theologische und spirituelle Erklärung zum konkreten Fall eines häretischen Papstes und sagte:

„Was für eine Geschicklichkeit war in diesem Zug des Teufels vorhanden! Und welcher Applaus brandete in den Abgründen auf an dem Tag, als der Vertreter des Lichtes [Honorius], sich mit den Mächten der Finsternis verstrickte, um die Dunkelheit und die Verwirrung einzuführen! Verhindere, oh Leo [II.], daß sich so schmerzliche Situationen wiederholen“ (El Año Litúrgico, Burgos 1955, Bd. 4, S. 533).

Es ist eine Tatsache, dass es seit zweitausend Jahren keinen Fall eines Papstes gab, der während seiner Amtszeit wegen des Verbrechens der Häresie für abgesetzt erklärt wurde. Papst Honorius I. wurde erst nach seinem Tod für gebannt erklärt. Der letzte Fall eines Häretikers oder halben Häretikers war der von Papst Johannes XXII. (1316–1334), als er seine These lehrte, dass die Heiligen die seligmachende Schauung erst nach dem Jüngsten Gericht bei der Wiederkunft Christi genießen würden. Dieser besondere Fall wurde damals wie folgt behandelt: Es gab öffentliche Warnungen (Universität von Paris, König Philipp VI. von Frankreich), eine Widerlegung der falschen päpstlichen Thesen durch verschiedene theologische Schriften und eine brüderliche Zurechtweisung im Namen von Jacques Kardinal Fournier, der schließlich als Papst Benedikt XII. (1334–1342) sein Nachfolger wurde.

Die Kirche kann in den sehr seltenen konkreten Fällen eines Papstes, der schwerwiegende theologische Irrtümer oder Häresien vertritt, durchaus mit einem solchen Papst koexistieren. Die Praxis der Kirche bestand bisher darin, das endgültige Urteil über einen amtierenden, häretischen Papst seinen Nachfolgern oder einem künftigen ökumenischen Konzil zu überlassen wie im Fall von Papst Honorius I.

Dasselbe wäre wahrscheinlich mit Papst Johannes XXII. geschehen, wenn er seinen Irrtum nicht zurückgenommen hätte.

Die Päpste wurden mehrmals von weltlichen Mächten oder kriminellen Gruppen abgesetzt. Das geschah besonders während des sogenannten saeculum obscurum (10. und 11. Jahrhundert). Als damals die deutschen Kaiser mehrere unwürdige Päpste absetzten, geschah das nicht wegen einer Häresie, sondern wegen eines skandalösen, unmoralischen Lebens und wegen Machtmissbrauchs. Sie wurden jedoch nie nach einem kanonischen Verfahren abgesetzt, da dies aufgrund der göttlichen Struktur der Kirche unmöglich ist. Der Papst erhält seine Autorität direkt von Gott und nicht von der Kirche, daher kann ihn die Kirche aus keinem Grund absetzen.

Es ist ein Glaubensdogma, dass der Papst keine Häresie proklamieren kann, wenn er ex cathedra spricht. Dies ist die göttliche Garantie, dass die Pforten der Hölle die Cathedra veritatis, das ist der Apostolische Stuhl des Apostels Petrus, nicht überwältigen werden. Rev. John Chapman, ein Experte für die Geschichte der Verurteilung von Papst Honorius I., schreibt:

„Die Unfehlbarkeit ist sozusagen die Spitze einer Pyramide. Je feierlicher die Erklärungen des Apostolischen Stuhls sind, um so mehr können wir von ihrer Wahrheit überzeugt sein. Wenn sie das Maximum der Feierlichkeit erreichen, das heißt, wenn sie streng ex cathedra erfolgen, ist die Möglichkeit eines Irrtums völlig ausgeschlossen. Der Autorität eines Papstes, selbst dann, wenn er nicht wirklich unfehlbar ist, muss implizit gefolgt und sie verehrt werden. Dass er möglicherweise auf der falschen Seite steht, ist eine Eventualität, die, wie Glauben und Geschichte zeigen, möglich ist“ (The condemnation of Pope Honorius, London 1907, S.109).

Wenn ein Papst doktrinelle Irrtümer oder Häresien verbreitet, stellt die göttliche Struktur der Kirche bereits ein Gegenmittel bereit: die Amtsvertretung der Repräsentanten des Episkopats und den unfehlbaren sensus fidei der Gläubigen. In diesem Bereich ist die Zahlenstärke nicht entscheidend. Es genügt, dass auch nur ein paar Bischöfe die Integrität des Glaubens verkünden und die Irrtümer eines häretischen Papstes korrigieren. Es reicht aus, wenn die Bischöfe ihre Herde unterweisen und vor den Irrtümern eines häretischen Papstes schützen, und ihre Priester und die Väter der katholischen Familien werden dasselbe tun. Da die Kirche auch eine übernatürliche Realität und ein Mysterium ist, ein einzigartiger übernatürlicher Organismus, der mystische Leib Christi, müssen Bischöfe, Priester und Laien – neben den Zurechtweisungen, den Appellen, den Glaubensbekenntnissen und dem öffentlichen Widerstand – notwendigerweise der Göttlichen Majestät, wegen der häretischen Handlungen eines Papstes, auch Akte der Wiedergutmachung und der Sühne leisten. Gemäß der dogmatischen Verfassung Lumen gentium (vgl. Nr. 12) des Zweiten Vatikanischen Konzils kann der ganze Körper der Gläubigen nicht irren im Glauben, wenn er von den Bischöfen bis zum letzten Laien in den Dingen des Glaubens und der Sitten einen allgemeinen Konsens zeigt. Selbst wenn ein Papst theologische Irrtümer und Häresien verbreitet, wird der Glaube der Kirche in seiner Gesamtheit, aufgrund der Verheißung Christi bezüglich des besonderen Beistandes und der dauerhaften Anwesenheit des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit, in seiner Kirche, erhalten bleiben (vgl. Joh 14,17; 1 Joh 2,27).

Wenn ein Papst, weil Gott es aus unerforschlichen Gründen zulässt, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte und in einem sehr seltenen Fall durch sein ordentliches, nicht unfehlbares Lehramt Irrtümer und Häresien verbreitet, weckt die Göttliche Vorsehung zugleich das Zeugnis einiger Mitglieder des Bischofskollegiums und auch die Gläubigen, um das vorübergehende Versagen des päpstlichen Lehramtes auszugleichen. Es muss gesagt werden, dass eine solche Situation sehr selten, aber nicht unmöglich ist, wie die Geschichte der Kirche gezeigt hat. Die Kirche ist in der Tat ein einziger, organischer Leib, und wenn der Kopf des Leibes (der Papst) versagt und ermangelt, gleicht der Rest des Leibes (die Gläubigen), oder herausragende Teile des Körpers (die Bischöfe), die vorübergehenden päpstlichen Irrtümer aus. Eines der berühmtesten und tragischsten Beispiele für eine solche Situation ereignete sich während der arianischen Krise im 4. Jahrhundert, als die Reinheit des Glaubens nicht so sehr von der Ecclesia docens (Papst und Episkopat) aufrechterhalten wurde, sondern von der ecclesia docta (den Gläubigen), wie der selige John Henry Newman ausführte.

Die Theorie oder Meinung vom Verlust des päpstlichen Amtes durch Absetzung oder durch die Erklärung des Amtsverlustes ipso facto setzt den Papst implizit mit der ganzen Kirche gleich oder manifestiert die ungesunde Haltung eines „Papstzentrismus“ oder letztendlich einer Papolatrie.
Die Vertreter einer solchen Meinung (vor allem einige Heilige) waren jene, die einen übertriebenen Ultramontanismus oder „Papstzentrismus“ an den Tag legten und den Papst zu einer Art Halbgott machten, der keine Fehler machen kann, nicht einmal in Bereichen, die außerhalb der päpstlichen Unfehlbarkeit stehen. Daher ist ein Papst, der doktrinelle Irrtümer begeht – was theoretisch und logisch auch die Möglichkeit einschließt, den schwerwiegendsten doktrinellen Irrtum zu begehen, nämlich eine Häresie –, für die Anhänger dieser Meinung (ob die Absetzung eines Papstes oder der Verlust seines Amtes wegen Häresie) unerträglich und undenkbar, selbst wenn es sich um Irrtümer handelt, die außerhalb der päpstlichen Unfehlbarkeit liegen.

Die theoretische oder theologische Meinung, dass ein häretischer Papst abgesetzt werden oder sein Amt verlieren kann, war dem ersten Jahrtausend fremd. Sie entstand erst im Hochmittelalter zu einer Zeit, als der „Papstzentrismus“ einen gewissen Höhepunkt erreichte und der Papst unbewusst mit der Kirche als solcher gleichgesetzt wurde. Das nahm in ihrem Kern bereits die weltliche Haltung eines absolutistischen Fürsten vorweg nach dem Motto: „L’État, c’est moi!“, oder in kirchlicher Hinsicht: „Ich bin die Kirche!“

Die Meinung, die besagt, dass ein häretischer Papst ipso facto sein Amt verliert, verbreitete sich allgemein ausgehend vom Hochmittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Sie bleibt eine theologische Meinung und ist keine Lehre der Kirche. Daher kann sie nicht die Qualität einer konstanten und beständigen Lehre der Kirche als solcher beanspruchen, da kein ökumenisches Konzil und kein Papst ausdrücklich eine solche Meinung unterstützt hat. Die Kirche verurteilte jedoch einen häretischen Papst, aber erst nach seinem Tod und nicht während seiner Amtszeit. Auch wenn einige heilige Kirchenlehrer (wie der heilige Robert Bellarmin und der heilige Franz von Sales) eine solche Meinung vertreten, beweist das nicht ihre Gewissheit oder einen allgemeinen, doktrinellen Konsens. Wie man weiß, haben sich auch Kirchenlehrer geirrt. Dies ist der Fall beim heiligen Thomas von Aquin in der Frage der Unbefleckten Empfängnis, der Frage der Materie des Weihesakramentes oder der Frage des sakramentalen Charakters der Bischofsweihe.

Es gab eine Zeit in der Kirche, in der zum Beispiel eine allgemeine theologische Meinung vorherrschte, die objektiv falsch war, laut der die Überreichung der Instrumente die Materie des Weihesakramentes war, eine Meinung, die sich jedoch weder auf Alter noch Universalität berufen konnte, obwohl diese Meinung für eine begrenzte Zeit durch einen Papst (Eugen IV.) und durch liturgische Bücher (wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum) unterstützt wurde. Diese allgemeine Meinung wurde jedoch später von Pius XII. im Jahr 1947 korrigiert.

Die Theorie – einen häretischen Papst abzusetzen oder der Verlust seines Amtes ipso facto wegen Häresie – ist nur eine theologische Meinung, die nicht die notwendigen theologischen Kategorien von Alter, Universalität und Konsens (semper, ubique, ab omnibus) erfüllt. Es gab keine Erklärungen des allgemeinen und ordentlichen Lehramtes oder des päpstlichen Lehramtes, die diese Theorien über die Absetzung eines häretischen Papstes oder den Verlust seines Amtes ipso facto wegen einer Häresie stützen. Nach einer mittelalterlichen, kanonischen Tradition, die später im Corpus Iuris Canonici (dem bis 1918 in der lateinischen Kirche gültigen Kirchenrecht) zusammengestellt wurde, konnte im Fall der Häresie ein Papst vor Gericht gestellt werden: „Papa a nemine est iudicandus, nisi deprehendatur a fide devius „, das heißt, „über den Papst kann niemand richten, es sei denn, er wurde als abweichend vom Glauben befunden „(Decretum Gratiani, Prima Pars, dist. 40, c. 6, 3. pars). Der Codex des Kirchenrechts von 1917 beseitigte jedoch die Norm des Corpus Iuris Canonici, die von einem häretischen Papst sprach. Auch der Codex des Kirchenrechts von 1983 enthält keine solche Norm.

Die Kirche hat immer gelehrt, dass selbst eine häretische Person, die aufgrund einer formalen Häresie automatisch exkommuniziert ist, die Sakramente dennoch auf gültige Weise verwalten kann, und dass ein häretischer oder exkommunizierter Priester im Extremfall formal sogar einen Akt der Jurisdiktion setzen und einem Büßer die sakramentale Absolution erteilen kann. Die Normen der Papstwahl, die bis einschließlich Paul VI. gültig waren, sahen vor, dass sogar ein exkommunizierter Kardinal an der Papstwahl teilnehmen und er selbst zum Papst gewählt werden konnte: „Kein Kardinal-Wähler kann von der aktiven oder passiven Wahl des Papstes wegen oder unter dem Vorwand irgendeiner Exkommunikation, Suspendierung, Interdiktion oder eines anderen kirchlichen Hinderungsgrundes ausgeschlossen werden; diese Strafen sind nur in Bezug auf diese Wahl als suspendiert zu betrachten“ (Paul VI., Apostolische Konstitution Romano Pontifice eligendo, 35). Dieses theologische Prinzip muss auch für den Fall eines häretischen Bischofs oder häretischen Papstes angewandt werden, die trotz ihrer Häresien gültige kirchliche Handlungen ausführen können und daher ihre Position nicht wegen Häresie ipso facto verlieren.

Die Theorie oder theologische Meinung, die eine Absetzung eines häretischen Papstes oder den Verlust seines Amtes ipso facto wegen Häresie erlaubt, ist in der Praxis nicht durchführbar. Würde sie in der Praxis angewandt werden, würde eine Situation ähnlich der des Abendländischen Schismas geschaffen, wie sie die Kirche bereits im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert verhängnisvoll erlebte. Es wird immer einen Teil des Kardinalskollegiums und einen beträchtlichen Teil des Episkopats der Welt und auch der Gläubigen geben, die nicht damit einverstanden sein werden, einen konkreten päpstlichen Irrtum (oder Irrtümer) als formale Häresie (oder Häresien) anzusehen und folglich weiterhin den regierenden Papst als einzigen, legitimen Papst betrachten werden.

Ein formales Schisma mit zwei oder mehr Anwärtern, die Anspruch auf den päpstlichen Thron erheben – was eine unvermeidliche Konsequenz einer kanonischen Absetzung eines Papstes wäre –, wird der Kirche als Ganze zwangsläufig mehr Schaden zufügen als eine relativ kurze und sehr seltene Periode, in der ein Papst doktrinelle Irrtümer oder Häresien verbreitet. Die Situation eines häretischen Papstes wird im Vergleich zu den zweitausend Jahren der Existenz der Kirche immer relativ kurz sein. Man muss in diesem seltenen und heiklen Fall dem Eingreifen der Göttlichen Vorsehung Raum lassen.

Der Versuch, einen häretischen Papst um jeden Preis abzusetzen, ist ein Zeichen für ein zu menschliches Verhalten, was letztlich die Abneigung widerspiegelt, das zeitliche Kreuz eines häretischen Papstes zu ertragen. Vielleicht spiegelt es auch das zu menschliche Gefühl der Wut wider. Jedenfalls bietet es eine zu menschliche Lösung und ähnelt einer politischen Haltung. Die Kirche und das Papsttum sind nicht rein menschliche, sondern auch göttliche Wirklichkeiten. Das Kreuz eines häretischen Papstes ist, selbst wenn es von begrenzter Dauer ist, für die ganze Kirche das größte nur vorstellbare Kreuz.

Ein weiterer Irrtum in der Absicht oder im Versuch, einen häretischen Papst abzusetzen, besteht in der indirekten oder unbewussten Gleichsetzung der Kirche mit dem Papst, darin, den Papst zum Mittelpunkt des täglichen Lebens der Kirche zu machen. Dies bedeutet letztlich und unbewusst, sich dem ungesunden Ultramontanismus, dem Papstzentrismus und Papolatrie zu unterwerfen, d.h. einem päpstlichen Personenkult. Tatsächlich gab es in der Kirchengeschichte Zeiten, in denen der Stuhl des Petrus während einer beträchtlichen Zeitspanne unbesetzt blieb. Beispielsweise gab es vom 29. November 1268 bis 1. September 1271 keinen Papst und auch keinen Gegenpapst. Deshalb sollten Katholiken den Papst, seine Worte und seine Handlungen nicht zu ihrem täglichen Mittelpunkt machen.

Man kann die Kinder einer Familie enterben. Man kann aber nicht den Vater einer Familie enterben, egal wie schuldig er ist oder wie ungeheuerlich sein Verhalten auch sein mag. Das ist das Gesetz der Hierarchie, das Gott auch in der Schöpfung festgelegt hat. Gleiches gilt für den Papst, der während seiner Amtszeit der geistliche Vater der gesamten Familie Christi auf Erden ist. Im Falle eines kriminellen oder ungeheuerlichen Vaters sollten sich Kinder von ihm zurückziehen oder den Kontakt mit ihm meiden. Sie können aber nicht sagen: „Wir werden einen neuen und guten Vater für unsere Familie wählen“. Es wäre gegen den gesunden Menschenverstand und gegen die Natur. Derselbe Grundsatz sollte daher auf die Frage der Absetzung eines häretischen Papstes angewendet werden. Der Papst kann von niemandem abgesetzt werden, nur Gott kann eingreifen und wird dies zu seiner Zeit tun, da Gott in seiner Vorsehung nicht irrt („Deus in sua dispositione non fallitur„). Während des Ersten Vatikanischen Konzils sprach Bischof Zinelli, Berichterstatter der Konzilskommission De Fide, in diesen Worten über die Möglichkeit eines häretischen Papstes:

„Wenn Gott ein so großes Übel zulässt (d. h. einen häretischen Papst), wird es nicht an den Mitteln mangeln, um einer solchen Situation abzuhelfen“ (Mansi 52, 1109).

Die Absetzung eines häretischen Papstes würde letztlich die Häresie des Konziliarismus, den Sedisvakantismus und eine mentale Haltung fördern, ähnlich einer rein menschlichen oder politischen Gemeinschaft. Sie würde auch eine Mentalität fördern, die dem Separatismus der protestantischen Welt oder dem Autokephalismus in der Gemeinschaft der orthodoxen Kirchen ähnelt.

Die Theorie oder Meinung, die eine Absetzung und den Verlust von Ämtern ermöglicht, entpuppt sich in ihren tiefsten Wurzeln, wenn auch unbewusst, als eine Art „Donatismus“, der auf das Amt des Papstes angewandt wird. Die donatistische Theorie setzte die geweihten Kirchendiener (Priester und Bischöfe) fast mit der moralischen Heiligkeit Christi selbst gleich, weshalb sie für die Gültigkeit ihres Dienstes moralische Fehlerlosigkeit oder das Fehlen jedes Fehlverhaltens in ihrem öffentlichen Leben verlangte. Die obgenannte Theorie schließt in ähnlicher Weise die Möglichkeit aus, dass ein Papst doktrinelle Irrtümer begehen könnte, d. h. Häresien, weshalb die Ungültigkeit seines Amtes oder dessen Vakanz behauptet wird, wie es die Donatisten taten, die wegen Fehlern im Moralleben das Priester- oder Bischofsamt für ungültig oder unbesetzt erklärten.

Man kann sich vorstellen, dass die höchste Autorität der Kirche (der Papst oder ein ökumenisches Konzil) in der Zukunft die folgenden oder ähnliche, kanonische Normen verbindlich für den Fall eines häretischen Papstes oder eines offensichtlich heterodoxen Papstes festlegen könnte:

  • Ein Papst kann in keiner Weise und aus keinem Grund abgesetzt werden, auch nicht wegen Häresie.
  • Jeder neugewählte Papst ist bei seinem Amtsantritt wegen seines Dienstes als oberster Lehrer der Kirche verpflichtet, den Eid zu leisten, die gesamte Herde Christi vor den Gefahren der Häresien zu schützen und in seinen Worten und Taten jeden Anschein einer Häresie im Respekt gegenüber seiner Pflicht zu meiden, alle Hirten und Gläubigen im Glauben zu stärken.
  • Ein Papst, der offensichtliche theologische Irrtümer oder Häresien verbreitet oder durch seine Handlungen und Unterlassungen zur Verbreitung von Häresien beiträgt, sollte verpflichtend in brüderlicher und privater Form vom Dekan des Kardinalskollegiums zurechtgewiesen werden.
  • Nachdem private Zurechtweisungen fehlgeschlagen sind, ist der Dekan des Kardinalskollegiums verpflichtet, seine Zurechtweisung öffentlich zu machen.
  • Mit der öffentlichen Zurechtweisung soll der Dekan des Kardinalskollegiums zum Gebet für den Papst aufrufen, damit dieser wieder zu Kräften kommen kann, um die ganze Kirche ohne Zweideutigkeiten im Glauben zu bestätigen.
  • Zur gleichen Zeit sollte der Dekan des Kardinalskollegiums ein Glaubensbekenntnis veröffentlichen, in dem die theologischen Irrtümer, die der Papst lehrt oder toleriert, zurückgewiesen werden (ohne den Papst zwangsläufig zu nennen).
  • Wenn der Dekan des Kardinalskollegiums die Zurechtweisung, den Aufruf zum Gebet und die Veröffentlichung eines Glaubensbekenntnisses unterlassen oder nicht vornehmen sollte, sollte jeder Kardinal, Bischof oder eine Gruppe von Bischöfen es tun, und wenn auch die Kardinäle und die Bischöfe es unterlassen oder nicht vornehmen sollten, müsste es jeder gläubige Katholik oder irgendeine eine Gruppe von gläubigen Katholiken tun.
  • Der Dekan des Kardinalskollegiums oder ein Kardinal, ein Bischof oder eine Gruppe von Bischöfen, ein gläubiger Katholik oder eine Gruppe von gläubigen Katholiken, die die Zurechtweisung vorgenommen, zum Gebet aufgerufen und die Veröffentlichung des Glaubensbekenntnisses durchgeführt haben, dürfen dafür weder kanonischen Strafen unterworfen noch darf ihnen dafür eine Missachtung des Papstes vorgeworfen werden.

In dem äußerst seltenen Fall eines häretischen Papstes kann der geistliche Zustand der Kirche mit den Worten beschrieben werden, die der heilige Papst Gregor der Große (590–604) gebrauchte, als er von der Kirche zu seiner Zeit sagte, sie sei „ein altes, schwer beschädigtes Schiff, in das von allen Seiten Wasser eindringt, und die Glieder, und die einzelnen Teile, betroffen von den täglichen Erschütterung des Sturmes, beginnen zu verfaulen und kündigen den Schiffbruch an“ (Registrum I, 4, Ep. ad Ioannem episcopum Constantinopolitanum).

Die im Evangelium berichteten Episoden, dass Unser Herr die stürmische See beruhigt und Petrus rettet, der im Wasser versank, lehren uns, dass selbst in der dramatischsten und menschlich gesehen verzweifelten Situation eines häretischen Papstes alle Hirten der Kirche und die Gläubigen glauben und vertrauen sollten, dass Gott in Seiner Vorsehung eingreifen und Christus den wilden Sturm beruhigen und den Nachfolgern des Petrus, seinen Stellvertretern auf Erden, die Kraft zurückgeben wird, alle Hirten und Gläubigen im katholischen und apostolischen Glaube zu stärken.

Der heilige Papst Agatho (678–681), der die schwierige Aufgabe hatte, den Schaden, den Papst Honorius I. an der Integrität des Glaubens angerichtet hatte, zu begrenzen, hinterließ lebhafte Worte in einem leidenschaftlichen Appell an jeden Nachfolger des Petrus, der sich stets seiner großen Pflicht bewusst sein muss, die jungfräuliche Reinheit des Depositum fidei intakt zu bewahren:

„Wehe mir, wenn ich vergesse, die Wahrheit meines Herrn zu verkünden, der aufrichtig gepredigt hat. Weh mir, wenn ich die Wahrheit mit Schweigen zudecke, die ich meiner Herde geben soll, also das christliche Volk lehren und überzeugen soll. Was werde ich im künftigen Gericht Christi sagen, wenn ich hier erröte – Gott möge es verhindern – beim Verkündigen der Wahrheit seiner Worte? Welche Genugtuung kann ich für mich selbst leisten, bezüglich der Seelen, die mir anvertraut sind, wenn Er Rechenschaft über das Amt verlangt, das ich erhalten habe?“ (Ep. Consideranti mihi ad Imperatores)

Als der erste Papst, der heilige Petrus, physisch in Ketten gelegt war, erflehte die gesamte Kirche seine Freilassung: „Petrus wurde eingesperrt, aber die Kirche betete unaufhörlich zu Gott für ihn“ (Apg 12,5). Wenn ein Papst Irrtümer oder sogar Häresien verbreitet, befindet er sich in spirituellen Ketten oder in einem spirituellen Gefängnis. Deshalb muss die ganze Kirche unaufhörlich für seine Befreiung aus diesem geistlichen Gefängnis beten. Die ganze Kirche muss eine übernatürliche Beharrlichkeit in diesem Gebet haben und ein übernatürliches Vertrauen in die Tatsache, dass es letztlich Gott ist, der Seine Kirche regiert, und nicht der Papst.

Als Papst Honorius I. (625–638) eine mehrdeutige Haltung gegenüber der Ausbreitung der neuen Häresie des Monotheletismus einnahm, sandte der heilige Sophronius, der Patriarch von Jerusalem, mit folgenden Worten einen Bischof von Palästina nach Rom:

„Geh zum Apostolischen Stuhl, wo die Fundamente der heiligen Lehre sind, und höre nicht auf zu beten, bis der Apostolische Stuhl die neue Häresie verurteilt.“

Im Umgang mit dem tragischen Fall eines häretischen Papstes müssen alle Glieder der Kirche, von den Bischöfen bis zum einfachen Gläubigen, alle legitimen Mittel einsetzen, wie die privaten und öffentlichen Zurechtweisungen des irrenden Papstes, beharrliches und leidenschaftliches Gebet und öffentliches Bekenntnis der Wahrheit, damit der Apostolische Stuhl wieder mit Klarheit die göttlichen Wahrheiten bekennen kann, die der Herr dem Petrus und allen seinen Nachfolgern anvertraut hat.

„Denn Petri Nachfolgern ward der Heilige Geist nicht dazu verheißen, dass sie aus seiner Eingebung heraus neue Lehren verkündeten. Ihre Aufgabe ist vielmehr, die von den Aposteln überlieferte Offenbarung oder das anvertraute Glaubensgut unter dem Beistand des Heiligen Geistes gewissenhaft zu hüten und getreu auszulegen.“(Erstes Vatikanisches Konzil I, Dogmatische Konstitution Pastor Aeternus, Kap. 4).

Jeder Papst und alle Glieder der Kirche haben sich an die weisen und zeitlosen Worte zu erinnern, die das Ökumenische Konzil von Konstanz (1414–1418) über den Papst aussprach, der als erste Person in der Kirche gesehen wird, die an den Glauben gebunden ist, den er gewissenhaft unverkürzt bewahren muss:

„Da der römische Papst eine so große Macht unter den Sterblichen ausübt, ist es richtig, dass er immer mehr mit dem unbestreitbaren Band des Glaubens und der Riten gebunden ist, die in Bezug auf die Sakramente der Kirche zu beachten sind. Deshalb beschließen wir und ordnen wir an, damit die Fülle des Glaubens in einem künftigen römischen Papst mit einzigartiger Pracht vom ersten Moment an, da er zum Papst gewählt wird, aufstrahlen kann, dass er von diesem Moment an folgendes Bekenntnis und Zeugnis in der Öffentlichkeit abgibt“ (39. Sitzung vom 9. Oktober 1417, von Papst Martin V. ratifiziert).

In derselben Sitzung hat das Konzil von Konstanz beschlossen, dass jeder neugewählte Papst einen Glaubenseid ablegen muss, indem es folgende Formel vorlegte, die wir in den wichtigsten Passagen zitieren:

„Ich, N., erwählter Papst, bekenne mit meinem Herzen und meinem Mund dem Allmächtigen Gott, dass ich fest glauben und den katholischen Glauben gemäß den Traditionen der Apostel, der allgemeinen Konzile und der heiligen Väter bewahren werde. Ich werde diesen unveränderlichen Glauben bis zum letzten Punkt bewahren und ihn bis zum Tod und zum Vergießen meines Blutes bekräftigen, verteidigen und verkündigen, und auf dieselbe Weise werde ich den überlieferten Ritus der kirchlichen Sakramente der Katholischen Kirche in jeder Hinsicht  befolgen und  einhalten.“

Wie dringend notwendig wäre vor allem in unseren Tagen ein solcher päpstlicher Eid! Der Papst ist kein absoluter Monarch, der tun und sagen kann, was er will, der die Lehre oder die Liturgie nach eigenem Ermessen ändern kann. Leider wurde in den vergangenen Jahrhunderten – entgegen der apostolischen Tradition der alten Zeit –, das Verhalten der Päpste als absolute Monarchen oder Halbgötter in dem Maße allgemein akzeptiert, in dem es die theologischen und geistlichen Ansichten der Mehrheit der Bischöfe und der Gläubigen, und insbesondere der frommen Menschen, beeinflusste.
Die Tatsache, dass der Papst der Erste in der Kirche sein sollte, der Neuerungen zu vermeiden hat, indem er auf vorbildliche Weise der Tradition des Glaubens und der Liturgie gehorcht, wurde manchmal im Gewissen der Bischöfe und der Gläubigen durch blinde und fromme Akzeptanz eines päpstlichen Absolutismus vergessen.

Der päpstliche Eid des Liber Diurnus Romanorum Pontificum sah als wichtigste Verpflichtung und herausragende Eigenschaft eines neuen Papstes seine unerschütterliche Treue zur Tradition, so wie sie ihm von seinen Vorgängern übermittelt wurde:

„Nihil de traditione, quod a probatissimis praedecessoribus meis servatum reperi, diminuere vel mutare, aut aliquam novitatem admittere; sed ferventer, ut vere eorum discipulus et sequipeda, totis viribus meis conatibusque tradita conservare ac venerari.“

„Ich werde nichts von der empfangenen Tradition ändern und nichts von dem, was ich vorfand, das von meinen verehrten Vorgängern bewahrt wurde, noch werde ich Hand an sie legen, sie verändern oder irgendeine Neuerung in ihr zulassen; vielmehr werde ich sie ehrerbietig mit brennender Zuneigung als wahrhaft treuer Jünger bewahren und mit meiner ganzen Kraft und der größten Anstrengung weitergeben.“

Derselbe päpstliche Eid definierte auf konkrete Weise die Treue zur lex credendi (das Gesetz des Glaubens) und der lex ordandi (das Gesetz des Betens).  Was die lex credendi betrifft (das Gesetz des Glaubens), sagt die Eidesformel:

„Verae fidei rectitudinem, quam Christo autore tradente, per successori tuos atque discipulos, usque ad exiguitatem meam perlatam, in tua sancta Ecclesia reperi, totis conatibus meis, usico ad animam et sanguinem custodire, temporumque difficultates, cum tuo adjutorio, toleranter sufferre.“

„Ich verspreche, mit all meiner Kraft, bis zum Tod und zum Vergießen meines Blutes den wahren Glauben unverkürzt zu bewahren, dessen Verfasser Christus ist, und der durch seine Nachfolger und Jünger mir demütigen Diener weitergegeben wurde, und den ich in Seiner Kirche vorgefunden habe. Ich verspreche auch mit Geduld die Schwierigkeiten der Zeit zu ertragen.“

In Bezug auf die lex orandi sagt der päpstliche Eid:

„Disciplinam et ritum Ecclesiae, sicut inveni, et a sanctis praecessoribus meis traditum reperi, illibatum custodire.“

„Ich verspreche, die Disziplin und die Liturgie der Kirche unverändert zu bewahren, so wie ich sie vorgefunden habe und wie sie von meinen Vorgängern weitergegeben wurden.“

In den vergangenen hundert Jahren gab es einige spektakuläre Beispiele für eine Art von päpstlichem Absolutismus, die Änderungen in der liturgischen Tradition der Kirche betreffen. Betrachten wir die lex orandi, so wurden von den Päpsten Pius X., Pius XII. und Paul VI. drastische und radikale Veränderungen durchgeführt, und bezüglich der lex credendi von Papst Franziskus.

Pius X. war der erste Papst in der Geschichte der lateinischen Kirche, der die Leseordnung der Psalmodie (Cursus Psalmorum) so radikal reformierte, dass es zur Schaffung eines neuen Officium divinum (Stundengebet) kam, was die Verteilung der Psalmen betrifft. Der nächste Fall war Papst Pius XII., der für den liturgischen Gebrauch eine radikal veränderte lateinische Version der tausendjährigen und melodischen Texte des Psalters der Vulgata approbierte. Die neue lateinische Übersetzung, der sogenannte „pianische Psalter“, war ein von Wissenschaftlern künstlich geschaffener Text, der in seiner Gewähltheit kaum aussprechbar war. Diese neue lateinische Übersetzung, zu Recht mit dem Sprichwort „accessit latinitas, rezitit pietas“ kritisiert, wurde de facto von der gesamten Kirche unter dem Pontifikat von Papst Johannes XXIII. abgelehnt. Papst Pius XII. änderte auch die Liturgie der Karwoche, einen tausendjährigen, liturgischen Schatz der Kirche, indem er teilweise ex novo erfundene Rituale einführte. Eine beispiellose liturgische Änderung wurde schließlich von Papst Paul VI. mit einer revolutionären Reform des Messritus und der anderen Sakramente vollzogen, eine Liturgiereform, wie sie kein Papst zuvor mit einer solchen Radikalität gewagt hat.

Eine theologisch revolutionäre Änderung wurde von Papst Franziskus vorgenommen, indem er die Praxis einiger Ortskirchen guthiess, die in einzelnen, besonderen Fällen sexuell aktive Ehebrecher (die in sogenannten „irregulären Verbindungen“ leben) zur Heiligen Kommunion zulassen. Auch wenn diese lokalen Normen keine allgemeine Norm in der Kirche darstellen, so bedeuten sie doch eine faktische Leugnung der Wahrheit der absoluten Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe, die geschlossen und vollzogen ist. Eine andere radikale Veränderung in Fragen der Glaubenslehre ist die Änderung der biblischen Lehre und des zweitausendjährigen Lehramtes in Bezug auf die grundsätzliche Legitimität der Todesstrafe. Eine weitere Änderung der Doktrin stellt die Zustimmung von Papst Franziskus zu dem im interreligiösen Dokument von Abu Dhabi vom 4. Februar 2019 enthaltenen Satz dar, der besagt, dass die Vielfalt der Religionen dem „weisen, göttlichen Willen“ entspricht. Diese Formulierung, so wie sie ist, verlangt nach einer offiziellen päpstlichen Korrektur, andernfalls wäre das ein offensichtlicher Widerspruch zum Ersten Gebot des Dekalogs und der eindeutigen und ausdrücklichen Lehre unseres Herrn Jesus Christus, und es wäre letztlich ein Widerspruch zur Göttlichen Offenbarung.

Vor diesem Hintergrund hebt sich eine beeindruckende und zum Nachdenken anregende Episode aus dem Leben von Papst Pius IX. ab: Auf das Ersuchen einer Gruppe von Bischöfen, eine kleine Änderung des Messkanons vorzunehmen, um den Namen des heiligen Josephs einzufügen, antwortete er:

„Ich kann es nicht. Ich bin nur der Papst!“

Das folgende Gebet von Dom Prosper Guéranger, in dem er den heiligen Papst Leo II. für seine tapfere Verteidigung des unverkürzten Glaubens nach der von Papst Honorius I. verursachten Krise preist, sollte von jedem Papst und von allen Gläubigen besonders in unserer Zeit gebetet werden:

„Heiliger Leo, bewahre den Hirten über dem Bereich der heimtückischen Nebel, die von der Erde aufsteigen; bewahre in der Herde das Gebet, das beständig aus der Kirche für ihn zu Gott aufsteigen muss (Apg 12,5), und Petrus wird nicht aufhören, selbst wenn er in den Tiefen der dunkelsten Gefängnisse begraben sein sollte, die ganze Herrlichkeit der Sonne der Gerechtigkeit zu betrachten; und der ganze Leib der Heiligen Kirche wird im Licht sein. Das Auge, sagt Jesus, gibt dem Körper Licht: Wenn das Auge gesund ist, dann wird der ganze Körper hell sein (Mt 6, 22). Von dir über den Wert der Wohltat unterwiesen, die der Herr der Welt zukommen hat lassen, als er die unfehlbare Lehre der Nachfolger des Petrus festlegte, kennen wir nun die Kraft des Felsens, der die Kirche trägt; wir wissen, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden (Mt 16,18). Tatsächlich sind die Anstrengungen dieser Kräfte des Abgrundes nie weitergegangen als in der unglückseligen Krise [von Papst Honorius], der du ein Ende bereitet hast. Im übrigen stand deren Erfolg, so groß er auch scheinen mochte, im Widerspruch zur göttlichen Verheißung: Denn es ist die Lehre des Petrus und nicht das Schweigen des Honorius (und seiner Unterstützung der Häresie), der die unfehlbare Hilfe des Geistes der Wahrheit verheißen ist“ (Das liturgische Jahr, Burgos 1955, Bd. 4, S. 533–534)

Der äußerst seltene Fall eines häretischen oder halbhäretischen Papstes muss letztendlich ertragen und durchlitten werden im Licht des Glaubens an den göttlichen Charakter und die Unzerstörbarkeit der Kirche und des Petrusamtes. Der heilige Papst Leo der Große formulierte diese Wahrheit und sagte, dass sich die Würde des heiligen Petrus in seinen Nachfolgern nicht abschwächt, so unwürdig sie auch sein mögen:

Cuius dignitas etiam in indigno haerede deficit“ (Serm 3,4).

Es könnte die unfassbar zügellose Situation eines Papstes geben, der sexuellen Missbrauch von Minderjährigen oder Untergebenen im Vatikan treibt. Was hätte die Kirche in einer solchen Situation zu tun? Sollte die Kirche einen sexuellen Missbrauchstäter von Minderjährigen oder Untergebenen als Papst tolerieren? Müsste die Kirche einen solchen Papst, der Minderjährige und Untergebene sexuell missbraucht dulden? Wie lange müsste die Kirche einen solchen Papst tolerieren? Sollte er das Papsttum ipso facto wegen des sexuellen Missbrauches von Minderjährigen oder Untergebenen verlieren? In einer solchen Situation könnte eine neue Theorie oder kanonische oder theologische Meinung entstehen, die die Absetzung eines Papstes und den Verlust seines Amtes aufgrund scheußlicher moralischer Verbrechen (zum Beispiel sexueller Missbrauch von Minderjährigen und Untergebenen) für möglich hält. Doch eine solche neue Theorie oder Meinung (die Absetzung eines Papstes und den Verlust seines Amtes aufgrund von scheußlichen, moralischen Verbrechen) würde nicht der immerwährenden Denken und Praxis der Kirche entsprechen.

Die Duldung eines häretischen Papstes als ein Kreuz bedeutet nicht Passivität oder Billigung seines Fehlverhaltens. Man müsste alles Erdenkliche tun, um die Situation eines häretischen Papstes zu beheben. Das Kreuz eines häretischen Papstes zu tragen, bedeutet unter keinen Umständen, seinen Häresien zuzustimmen oder passiv zu sein. Genauso wie die Menschen zum Beispiel ein ungerechtes oder atheistisches Regime als Kreuz tragen müssen (viele Katholiken haben unter einem solchen Regime in der Sowjetunion gelebt und diese Situation, im Geist der Sühne, als Kreuz getragen), oder wie Eltern das Kreuz eines erwachsenen Sohnes tragen müssen, der ungläubig oder unmoralisch geworden ist, oder wie die Mitglieder einer Familie zum Beispiel einen Alkoholiker zum Vater als Kreuz ertragen müssen. Eltern können ihr irrendes Kind nicht von ihrer Familie „absetzen“, ebenso wenig können die Kinder ihren irrenden Vater nicht von der Familienzugehörigkeit „absetzen“ oder ihm den Titel des  „Vaters“ nehmen.

Der sichere Weg, einen häretischen Papst nicht abzusetzen, stellt die übernatürliche Sicht der Kirche dar. Wenn man auf diese Weise vorgeht, zusammen mit allen praktischen und konkreten Gegenmaßnahmen, bedeutet das auf keinen Fall Passivität oder Kollaboration mit den päpstlichen Irrtümern, sondern einen sehr aktiven Einsatz und ein echtes Mitleiden mit der Kirche, die in der Zeit eines häretischen oder halbhäretischen Papstes ihr Golgota erlebt. Je mehr ein Papst doktrinelle Zweideutigen, Irrtümer oder gar Häresien verbreitet, desto leuchtender wird der reine katholische Glaube der Kleinsten in der Kirche erstrahlen: der Glaube der unschuldigen Kinder; der Ordensschwestern; besonders der Glaube der verborgenen Edelsteine der Kirche: der Klausurschwestern; der Glaube heldenhafter und tugendhafter Laien aller sozialen Verhältnisse; der Glaube der einzelnen Priester und Bischöfe. Diese reine Flamme des katholischen Glaubens, die oft von Opfern und Sühneakten genährt wird, wird heller brennen als die Feigheit, die Treulosigkeit, die geistige Starrheit und Blindheit eines häretischen Papstes.

Die Kirche hat einen solchen göttlichen Charakter, dass sie für eine begrenzte Zeit trotz eines regierenden häretischen Papstes existieren und leben kann, gerade weil der Papst nicht ein Synonym für die Kirche und nicht mit ihr identisch ist. Die Kirche hat einen solchen göttlichen Charakter, dass selbst ein häretischer Papst ihn nicht zerstören kann; selbst wenn er das Leben der Kirche ernsthaft schädigt, hat seine Aktion nur eine begrenzte Dauer. Der Glaube der ganzen Kirche ist größer und stärker als die Irrtümer eines häretischen Papstes, und dieser Glaube kann nicht besiegt werden, auch nicht durch einen häretischen Papst. Die Beständigkeit der gesamten Kirche ist größer und dauerhafter als die relativ kurze Katastrophe eines häretischen Papstes. Der wahre Fels, auf dem die Unzerstörbarkeit des Glaubens und die Heiligkeit der Kirche ruht, ist Christus selbst. Der Papst ist nur sein Instrument, denn jeder Bischof und Priester ist nur ein Instrument von Christus, dem Hohepriester.

Die doktrinelle und moralische Gesundheit der Kirche hängt nicht ausschließlich vom Papst ab, da diese durch göttliches Gesetz auch in der außergewöhnlichen Situation eines häretischen Papstes garantiert ist wegen der Treue der Bischöfe zur Lehre und letztendlich auch wegen der Treue der Gesamtheit der gläubigen Laien, wie der selige John Henry Newman und die Geschichte es ausreichend beweisen. Die doktrinelle und moralische Gesundheit der Kirche hängt nicht in dem Ausmaß von den relativ kurzen Lehrirrtümern eines einzelnen Papstes ab, um den päpstlichen Stuhl vakant werden zu lassen. Wie die Kirche eine Zeit ohne Papst aushalten kann (was in der Geschichte bereits für eine Zeitspanne von mehreren Jahren geschehen ist), ist sie aufgrund ihrer göttlichen Verfassung so stark, auch für eine kurze Zeit einen häretischen Papst zu ertragen.

Der Akt, einen Papst abzusetzen oder die Cathedra Petri durch Verlust des Papstamtes ipso facto wegen Häresie für vakant zu erklären, wäre eine revolutionäre Neuheit im Leben der Kirche, die sich auf einen sehr wichtigen Bereich ihrer Verfassung und ihres Lebens auswirken würde. In einer so heiklen Angelegenheit, auch wenn sie praktischer Natur und nicht streng doktrineller Natur ist, ist der sicherste Weg (via tutior), den es zu gehen gilt, jener, der sich am immerwährenden sensus ecclesiase orientiert.

Trotz der Tatsache, dass drei aufeinanderfolgende ökumenische Konzile (das Dritte Konzil von Konstantinopel im Jahre 681, das Zweite Konzil von Nicäa im Jahre 787 und das Vierte Konzil von Konstantinopel im Jahre 870) und der heilige Papst Leo II. im Jahre 682 Papst Honorius I. wegen Häresie exkommunizierten, haben sie nicht einmal implizit ausgesagt, dass Honorius das Papsttum ipso facto wegen Häresie verloren hat. Tatsächlich wurde das Pontifikat von Papst Honorius I. als gültig angesehen, auch nachdem er die Häresie in seinen Briefen an Patriarch Sergios von Konstantinopel im Jahr 634 unterstützt hatte, da er danach noch vier Jahre bis 638 regierte.

Der folgende Grundsatz, vom heiligen Papst Stephanus I. (+ 257) wenn auch in einem anderen Zusammenhang formuliert, sollte eine Richtschnur sein im Umgang mit der äußerst heiklen und seltenen Angelegenheit eines häretischen Papstes:

„Nihil innovetur, nisi quod traditum est.“

Das heißt:

„Es werde nichts eingeführt, was nicht überliefert ist.“

21. März 2019

+ Athanasius Schneider
Weihbischof des Erzbistums der Allerheiligsten Jungfrau zu Astana

 

Quelle: katholisches.info Bild: CFM.SCJ Archiv Alexandria

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