Kardinal Joseph Zen, die graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, wurde am 11. Mai festgenommen.
(Hongkong) Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Am frühen Abend Ortszeit wurde Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong und graue Eminenz der katholischen Untergrundkirche in der Volksrepublik China, festgenommen. Die Festnahme durch die Nationale Sicherheitspolizei Hongkongs erfolgte zusammen mit jener der ehemaligen Oppositionsabgeordneten Margaret Ng und der Sängerin Denise Ho Wan-sze. Alle drei waren Treuhänder des Fonds 612, eines humanitären Hilfsfonds, der in Not geratene Friedens- und Freiheitsdemonstranten der Hongkonger Demokratiebewegung unterstützte.
Der Vorwurf lautet in bewährter kommunistischer Manier auf „Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften“. Die drei Festgenommenen gehören zu den insgesamt fünf Treuhändern des Hilfsfonds, der 2019 für jene eingerichtet wurde, die sich an den Protesten gegen das Regime und für Demokratie, Grund- und Freiheitsrechte beteiligten und aufgrund von Haft und staatlicher Verfolgung in finanzielle Not gerieten.
Ein vierter Treuhänder, der ehemalige Professor Hui Po Keung, war bereits gestern festgenommen worden, als er gerade ein Flugzeug nach Deutschland besteigen wollte. Die fünfte Treuhänderin, Cyd Ho Sau-lan, befindet sich bereits seit längerem wegen Beteiligung an „nicht genehmigten Kundgebungen“ im Gefängnis.
Seit dem Inkrafttreten des von Peking erlassenen Gesetzes für die nationale Sicherheit am 30. Juni 2020 hat die Polizei 175 Personen festgenommen. Bis zum 31. März 2022 wurden laut Polizeiangaben 110 von ihnen angeklagt. Das neue „Sicherheitsgesetz“ gibt Polizei und Justiz erweiterte Möglichkeiten, leichter Festnahmen vornehmen zu können und mittels Schnellverfahren anzuklagen und abzuurteilen. Regimekritik wird in der kommunistischen Diktatur nicht geduldet, auch nicht mehr in Hongkong, das als ehemalige britische Kronkolonie aufgrund eines Übergangsvertrages bisher bestimmte demokratische Rechte genossen hatte.
Der Fonds 612 stellte bereits im Oktober 2021 aufgrund des „aktuellen politischen Umfelds“ die Geldsammlung ein. Das Regime hatte Ermittlungen wegen „mutmaßlicher Verstöße gegen das Gesetz zur nationalen Sicherheit“ eingeleitet. Der Staat wollte die Namen aller Spender und Empfänger in die Hände bekommen.
Kardinal Joseph Zen, einer der mutigsten Kirchenmänner unserer Zeit, der auch offen die neue „Ostpolitik“ des Vatikans gegenüber dem kommunistischen Regime in Peking kritisierte, wurde im vergangenen Januar 90 Jahre alt. 2017 erklärte er, daß die vier Kardinäle, die Dubia zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia vorbrachten, ein Recht hätten, von Papst Franziskus eine Antwort zu erhalten.
Hui Po Keung war als außerordentlicher Professor an der Philosophischen Fakultät der Lignan-Universität tätig. Die Universität kündigte das Arbeitsverhältnis im September 2021, als Ermittlungen gegen ihn wegen des Hongkonger Protestfonds bekannt wurden.
Ng und Ho wurden heute zusammen mit fünf weiteren Personen festgenommen. Ihnen wird die Veröffentlichung von Texten auf einer Nachrichtenseite zur Last gelegt, die das Regime als „aufrührerisch“ bezeichnet und die „Haß gegen die Regierung“ schüre.
Die finanzielle Unterstützung von Dissidenten, die das kommunistische Regime durch Kriminalisierung, Entlassung und soziale Ächtung in Not brachte, war dem Regime schnell ein Dorn im Auge. Nun hat es zugeschlagen und schreckt nicht davor zurück, selbst einen 90jährigen Kardinal der katholischen Kirche festzunehmen.
Der Purpurträger ist seit vielen Jahren im Visier der totalitären Staatsschützer. Er verurteilte wiederholt die Unterdrückung und die Angriffe des Regimes gegen die Christen in der Volksrepublik China und die Beseitigung christlicher Symbole aus dem öffentlichen Raum. Jedes Jahr zelebrierte er eine Gedächtnismesse für die Opfer des Massakers auf dem Tiananmen-Platz in Peking, wo sie für Freiheit und Demokratie demonstrierten und am 4. Juni 1989 von Panzern überrollt wurden.
Kardinal Zen, immer bescheiden, aber hoch streitbar, wenn er für die Sache eintritt, gehört zu den Ausnahmegestalten unserer Zeit. Man wird sehen, ob unsere Außenminister und Regierungen ihre Stimme erheben und ernsthaft für seine Freilassung und die seiner Mitstreiter eintreten.
Quelle: katholisches, G. N. Bild: CFM.SCJ Archiv Alexandria