Kardinal Gerhard Ludwig Müller

„Nicht einmal der Papst kann den Zölibat der Priester abschaffen“

(Rom) Am Montag eröffnete der von Papst Franziskus eingesetzte Generalberichterstatter der Amazonassynode, Kardinal Claudio Hummes, das Sperrfeuer auf den priesterlichen Zölibat. Der kontrollierte und dosierte Informationsfluß läßt nur nach außen dringen, was von der Synodenregie gewünscht ist, während anderslautende Stellungnahmen nicht oder nur in homöopathischer Dosierung kommuniziert werden. Von außen meldete sich gestern Kardinal Müller zu Wort, um den Zölibat zu verteidigen.

Die Kommunikationspolitik der Amazonassynode ist nach den ersten vier Synodentagen bekannt: Zustimmung zur Zölibatsabschaffung wird nach außen kommuniziert, Ablehnung der Zölibatsabschaffung nicht. Die Öffentlichkeit erfährt, daß es „Applaus“ der Synodalen für Hummes Forderung gegeben habe und ebenso für die Forderung ein Frauendiakonat einzuführen. Von der Verteidigung des Weihesakraments in seiner apostolischen Tradition erfährt die Öffentlichkeit nichts, oder so gut wie nichts. Was sie erfährt, kann am Beispiel der Pressekonferenz mit Bischof Erwin Kräutler am dritten Synodentag nachgeprüft werden. Natürlich nicht an dem, was der emeritierte Missionsbischof sagte, aber an dem, was Paolo Ruffini, der Präfekt des Kommunikationsdikasteriums sagte und nicht sagte sowie daran, daß die Kräutlers und nicht andere eingeladen werden.

Papst Franziskus und sein (deutsches) Synodenumfeld waren durch strenge Selektion der Synodalen bemüht, die bei den Familiensynoden aufgetretenen Widerstände gegen die „Öffnungen“ von vorneherein kleinzuhalten.

Das ist auch der Grund, warum sich ein Kardinal Müller von außen zu Wort melden muß, um der Amazonas-Agenda entgegenzutreten. Auch seine Teilnahme an der Synode war nicht mehr erwünscht. Sein Einfluß auf die Synode ist damit beschränkt und nur indirekt. Allerdings erlaubt ihm die Nicht-Einladung, seine Stimme in der Öffentlichkeit vernehmbarer zu erheben, da seine Wortmeldungen nicht der Kontrolle durch die Synodenregie unterworfen sind.

Am Mittwoch hatte Eugenio Scalfari in La Repubblica seine Skandal-Kolumne veröffentlicht. Darin behauptete er, daß Papst Franziskus überzeugt sei – wie Scalfari, versteht sich –, daß Jesus Christus Mensch und nicht Gott gewesen sei.

Die Reaktion des Vatikans fiel erwartungsgemäß schwach aus. Es wurde dementiert, ohne wirklich zu dementieren. Franziskus schweigt, obwohl Scalfari ihm ein antichristliches Bekenntnis in den Mund legte. Der Supergau!

Der Franziskus-Biograph und Ultra-Bergoglianer Austen Ivereigh verteidigte gestern das Schweigen von Franziskus mit der wenig überzeugenden Bemerkung, daß „ein Papst eben niemand einen Lügner nennt“. Der Vatikan weiß aber sehr wohl, sich unmißverständlich zu distanzieren. Man erinnere sich, um nur ein Beispiel zu nennen, an die Distanzierung von Aussagen des Moraltheologen Giovanni Maria Cavalcoli OP im Herbst 2016. Die Vatikanmedien titelten von „beleidigenden Äußerungen“. Gibt es eine größere Beleidigung, als einem Papst zu unterstellen, nicht an den „Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“ zu glauben?

Am Tag nach Scalfaris Kolumne veröffentlichte La Repubblica ein fast ganzseitiges Interview mit Kardinal Müller. Ein so prominentes Forum wird Kirchenvertretern selten eingeräumt, die vom Mainstream gerne als „Papstgegner“ oder „Papstfeinde“ abqualifiziert werden. Das Interview ist nicht nur wegen des Scalfari-Skandals bedeutsam, sondern vor allem, weil La Repubblica „die einzige Tageszeitung ist“, die Papst Franziskus nach eigenem Bekunden täglich liest, wenngleich das päpstliche Umfeld diese Aussage nachträglich auf eine weniger verfängliche Zeitung umzulenken versuchte.

Das Interview führte Paolo Rodari, der Vatikanist der Zeitung, der unter Benedikt XVI. als Vatikanist von Il Foglio sehr engagiert war, um den es aber seit der Wahl von Franziskus und seinem Wechsel zu La Repubblica ziemlich ruhig geworden ist – bis gestern.

Anlaß für das Interview ist das neue Buch des Kardinals, das in wenigen Tagen in den Buchhandel kommt. Pünktlich zur Amazonassynode erscheint die italienische Ausgabe seines Buches „‚Ihr sollt ein Segen sein‘. Zwölf Briefe über das Priestertum“ (Herder), das in deutscher Sprache im Sommer 2018 veröffentlicht wurde. Die inoffizielle Amtssprache der Kirche ist aber italienisch. Die neue Ausgabe (Cantagalli) richtet sich direkt an die im Vatikan versammelten Synodalen, Auditoren, Gäste und Beobachter. Das Buch besteht aus „fiktiven Briefen“ an die Gläubigen, mit denen der Kardinal „die Wurzeln des Priestertums der Kirche im Neuen Testament, seine Bestimmung von Christus her erläutert und daraus die theologische, sakramentale und pastorale Dimension des Priesters erschließt“.

Bereits in der großen Überschrift von La Repubblica erteilte Kardinal Müller gestern der Forderung von Kardinal Hummes eine Abfuhr:

„Nicht einmal der Papst kann den Zölibat der Priester abschaffen.“

Paolo Rodari lenkte das Gespräch sofort auf die von der Amazonassynode diskutierte Frage nach einer „Öffnung des Priestertums“ für verheiratete Männer.

Frage: Was denken Sie darüber?

Kardinal Müller: Ich denke, daß es falsch ist, die „viri probati“ einzuführen. Es gibt bereits verheiratete Diakone. Wenn wir sie einführen, müssen sie die Gewohnheit der frühen Kirche respektieren: Sie müssen enthaltsam leben.

Frage: Wenn sie aber verheiratet sind, wie soll das gehen?

Kardinal Müller: Auch in der orthodoxen Kirche, die sich in diesem Sinn geöffnet hat, müssen die verheirateten Priester in den Tagen enthaltsam sein, die der Zelebration der Messe vorausgehen. Kennen Sie die Trullanische Synode von 692 nicht? Damals wurde unter dem Druck des Kaisers das Zölibatsgesetz aufgehoben, aber nur die orthodoxe Kirche stimmte dem zu. Die lateinische nicht. Deshalb: Wer die Praxis der verheirateten Priester in der lateinischen Kirche einführen will, kennt ihre Geschichte nicht.

Frage: Dennoch ist der Zölibat nur ein Kirchengesetz.

Kardinal Müller: Es ist nicht irgendein Gesetz, das nach Belieben geändert werden kann, sondern hat tiefe Wurzeln im Weihesakrament. Der Priester ist Stellvertreter Christi, des Bräutigams, und hat eine gelebte Spiritualität, die nicht geändert werden kann.

Frage: Benedikt XVI. hat aber den anglikanischen Priestern, die konvertieren, erlaubt, verheiratet zu bleiben.

Kardinal Müller: Es handelt sich um Ausnahmen. Die Apostel haben alles aufgegeben, um Jesus nachzufolgen. Christus ist das Modell für die Priester. Diese Sache kann nicht durch weltlichen Drang geändert werden. Ebensowenig kann dem Zweiten Vatikanischen Konzil widersprochen werden, das in Presbyterium ordinis, Nr. 16, vom Zölibat spricht und vom angemessenen Band zwischen jenen, die Christus den ehelosen Bräutigam repräsentieren, und der Kirche.

Frage: Würden ohne Zölibat nicht auch der von Priestern begangene sexuelle Mißbrauch zurückgehen?

Kardinal Müller: Nein, das ist falsch. Dahinter versteckt sich eine falsche Anthropologie. Ein Mißbrauch ist ein Widerspruch gegen die Keuschheit. Mißbrauch erfolgt überall, nicht nur im Priestertum. Wir dürfen nicht vergessen, daß mehr als 80 Prozent der Opfer nicht Kinder sind, sondern männliche Jugendliche. Das bedeutet, daß viele Mißbräuche von Personen begangen werden, die das Sechste Gebot nicht halten wollen. Niemand sollte zum Priestertum zugelassen werden, wenn er nicht bereit ist, nach den Geboten Gottes und den Ermahnungen Christi zu leben. Ich habe mein Buch für die vielen, guten und treuen Priester geschrieben, die Anschuldigungen ertragen müssen wegen der Schuld von einigen, die sich verfehlen.

Frage: Stimmt es, daß ein Teil der konservativen Welt zum Schisma bereit ist, falls die Synode grundlegende Fragen der Glaubenslehre ändert?

Kardinal Müller: Ein Schisma ist gegen den Willen Jesu, und es ist ein Verrat an den gesunden Worten Jesu oder der Lehre der Apostel. Das Lehramt wird der Furche der apostolischen Überlieferung folgen, denn es kann gar nicht anders. Kein Papst und keine Mehrheit der Bischöfe können Glaubensdogmen oder Gesetze des Göttlichen Rechts nach ihrem Geschmack ändern. Die Tradition der Kirche ist kein Spiel, das man nach Belieben formen kann.

Frage: Manche zeichnen Sie als Feind von Franziskus.

Kardinal Müller: Der Papst sollte über einige seiner Schmeichler nachdenken. Jene, die diese Dinge sagen, sind Ignoranten. Ich habe ein Buch von 600 Seiten über den Papst und das Papsttum geschrieben, die umfangreichste, aktuelle Monographie dazu. Gegner des Papstes sind jene, die leugnen, daß das Papsttum eine Göttliche Institution ist, die die geoffenbarte Glaubenslehre ändern wollen ohne das Vaticanum I und II zu berücksichtigen. Wer solche Dinge sagt, fügt der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schweren Schaden zu.

Frage: Was sagen Sie zur Frauenordination?

Kardinal Müller: Man kann nicht einmal darüber sprechen, weil es dogmatisch unmöglich ist, so weit zu gehen.

Frage: Es kam zu Protesten am Institut Johannes Paul II. gegen dessen Erneuerung. Einige Dozenten haben den Lehrstuhl verloren und haben gesagt, daß das gesamte Lehramt von Wotyla verraten wird. Stimmt das?

Kardinal Müller: Es war ein großer Fehler, dieses Institut zu zerstören, ein Attentat gegen die intellektuelle Qualität der katholischen Theologie. In der akademischen Welt sind alle sprachlos: Es ist unmöglich, Dozenten zu entlassen wegen ihres wirklich rechtgläubigen Denkens. Abgesehen davon ist es kein Denken, das die Doktrin verrät, weshalb man nicht versteht, warum sie weggeschickt werden.

Quelle: katholisches Bild: CFM.SCJ Archiv Alexandria

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