„Mit der Ablehnung des Titels ‚Miterlöserin‘ beraubt man die Heilige Jungfrau ihrer Krone.“

Don Davide Pagliarani, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X ©FSSPX (Screenshot)

Interview mit dem Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Aus Anlass der Veröffentlichung von Mater Populi fidelis.


„Mit der Ablehnung des Titels ‚Miterlöserin‘ beraubt man die Heilige Jungfrau ihrer Krone. Das trifft die katholische Seele in ihrem Innersten.“


FSSPX.Aktuell: Herr Pater Generaloberer, am 4. November wurde unter dem Titel Mater Populi fidelis ein Dokument des Dikasteriums für die Glaubenslehre veröffentlicht, das die Verwendung bestimmter Titel, die traditionell der Heiligen Jungfrau zugeschrieben werden, einschränkt. Was war Ihre erste Reaktion darauf?

Don Davide Pagliarani: Ich war schockiert! Zwar hat Papst Leo XIV. bereits seinen Willen zur Kontinuität mit seinem Vorgänger kundgetan, aber ich hätte nicht mit einem Dokument eines römischen Dikasteriums gerechnet, das darauf abzielt, die Verwendung der so bedeutungsreichen Titel einzuschränken, welche die Kirche traditionellerweise der heiligen Jungfrau zuschreibt. Meine erste Reaktion war eine Sühnemesse zur Wiedergutmachung dieses erneuten Angriffs gegen die Tradition und, was schwerer wiegt, gegen die Allerseligste Jungfrau Maria.

Denn faktisch wird ja nicht nur der Gebrauch der Titel der „Miterlöserin“ und der „Mittlerin aller Gnaden“ in Frage gestellt – vielmehr wird die traditionelle Bedeutung dieser Titel verfälscht. Das ist viel schlimmer, denn mit der Ablehnung dieser Wahrheiten beraubt man die Allerseligste Jungfrau ihrer Krone, und das trifft die katholische Seele im Innersten. Tatsächlich ist doch die Allerseligste Jungfrau mit der heiligen Eucharistie die kostbarste Gabe, die unser Herr uns hinterlassen hat.

Was hat Sie am meisten schockiert?

Don Davide Pagliarani: Vor allem die Tatsache, dass die Verwendung des Begriffs „Miterlösung“ als „immer unangebracht“ bezeichnet wird, was praktisch darauf hinausläuft, dass er verboten ist. Folgende Begründung wird dafür gegeben: „Wenn eine Begrifflichkeit viele und ständige Erklärungen erfordert, um einem abweichenden und irrigen Verständnis entgegen­zuwirken, leistet sie dem Glauben des Volkes Gottes keinen Dienst und wird unpassend.“

Und wir haben es ja durchaus nicht mit einer Formulierung zu tun, die von irgendeiner Seherin nach einer dubiosen Erscheinung geäußert wurde, sondern mit einem Ausdruck, den die Kirche seit Jahrhunderten verwendet und dessen genaue Bedeutung von Theologen eindeutig festgelegt wurde. Darüber hinaus haben auch mehrere Päpste diesen Ausdruck verwendet. Paradoxerweise hat sogar Johannes Paul II. diesen Titel mehrfach benutzt. In seiner Lehre definiert der heilige Pius X. sehr klar die Grundlage und die Tragweite der Miterlösung durch die Gottesmutter, auch wenn er diesen Begriff nicht direkt nennt, sondern stattdessen die Formulierung „Wiederherstellerin der gefallenen Menschheit“.

Was genau sagt er?

Don Davide Pagliarani: In seiner marianischen Enzyklika Ad diem illum (vom 2. Februar 1904) behandelt der heilige Pius X. ganz direkt und sehr klar die Miterlöserschaft, ja sogar die universale Mittlerfunktion Marias. Lassen wir ihm das Wort:

„Als nun das Lebensende ihres Sohnes herankam, ‚stand unter dem Kreuze Jesu sie, seine Mutter, zweifellos ergriffen von dem entsetzlichen Anblick, aber dennoch auch glücklich darüber, dass sich ihr Eingeborener für das Heil des Menschengeschlechtes opferte; und so sehr litt sie mit, dass sie, wenn dies möglich gewesen wäre, alle Marter ihres Sohnes von Herzen gern auf sich genommen hätte‘.

Die Folge dieser Gemeinschaft der Gefühle und Leiden zwischen Maria und Jesus ist, dass Maria ‚völlig zu Recht verdient hat, die Wiederherstellerin der gefallenen Menschheit zu werden‘,3 und deshalb auch zur Ausspenderin aller Gnadenschätze, die Christus durch seinen Tod und sein Blut erkaufte. Damit wollen Wir nicht gesagt haben, dass die Verleihung dieser Gnaden nicht eigentlich und rechtmäßig Christus zustehe; ausschließlich er hat durch seinen Tod die Gnaden uns erworben, und er ist aufgrund seiner Natur der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Aber infolge dieser Teilnahme der Mutter an den Leiden und Bedrängnissen des Sohnes ist der hehren Jungfrau das Vorrecht geworden, ‚bei ihrem Sohn nun die mächtige Mittlerin und Versöhnerin der ganzen Welt‘ zu sein.

Christus ist die Quelle, ‚aus deren Fülle wir alle empfangen haben: ‚Von ihm her wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt durch jedes Gelenk. Jedes versorgt ihn mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und baut sich selbst in Liebe auf.‘ Maria ist jedoch nur, nach der zutreffenden Bemerkung des hl. Bernhard, der ‚Aquädukt‘; oder auch der Hals, der den Leib mit dem Haupte verbindet und seinerseits Leben und Kraft vom Haupte weitergibt. Ja, sagt der heilige Bernardin von Siena, ‚sie ist der Hals unseres Hauptes, durch den alle geistlichen Gaben seinem mystischen Leib mitgeteilt werden.´´

Es braucht nicht mehr eigens betont zu werden, dass wir nie und nimmer der Gottesmutter die Kraft der übernatürlichen Gnadenbewirkung zuschreiben; diese gehört Gott allein an. Weil aber Maria alle an Heiligkeit und inniger Vereinigung mit Christus übertrifft und von ihm selbst zur Vollführung des Erlösungswerkes herangezogen wurde, in der Absicht, dass sie schicklicherweise (de congruo) für uns verdiene, was er von Rechts wegen (de condigno) verdient hat, so ist und bleibt sie die vornehmste Mitwirkerin bei der Gnadenverteilung. ‚Er sitzt zur Rechten der Majestät im Himmel,´´ Maria aber steht als Königin zu seiner Rechten, als ‚die bewährte Schützerin und zuverlässigste Helferin aller Gefährdeten. Keine Furcht und kein Zweifel muss den schrecken, den sie leitet, über dem sie schwebt, dem sie gnädig ist und den sie beschützt‘.“

Das ist ein langes Zitat, es enthält jedoch die Antworten auf die Schlussfolgerungen, welche in der lehrmäßigen Note des Glaubensdikasteriums formuliert wurden. Nur am Rande sei vermerkt, dass diese Enzyklika von Pius X. lediglich in einer Anmerkung am Ende des Textes erwähnt, aber nie zitiert wird. Der Grund dafür ist leicht nachvollziehbar: Sie ist unvereinbar mit der neuen theologischen Ausrichtung.

Aber was ist Ihrer Meinung nach der wahre Grund dafür, dass das Glaubensdikasterium das Konzept der Miterlösung nun als „immer unangebracht“ betrachtet?

Don Davide Pagliarani: Der Grund dafür ist in erster Linie ökumenischer Natur. Man muss sich klar machen, dass der Begriff der Miterlösung ebenso wie der der universellen Mittlerschaft mit der protestantischen Theologie und dem protestantischen Geist absolut unvereinbar sind. Diese Begriffe waren bereits zum Zeitpunkt des Konzils nach heftigen Debatten verworfen worden, obwohl ein Teil der Konzilsväter die Definition der universellen Mittlerschaft als Glaubensdogma gefordert hatte.

Diese vom Ökumenismus inspirierte Ausgrenzung hatte den verheerenden Effekt, dass der Glaube abnahm. Denn wenn man nicht regelmäßig an die traditionelle Lehre über die Heilige Jungfrau erinnert, geht sie irgendwann verloren. Mit anderen Worten: Die Verfasser dieses Dokuments sind tatsächlich davon überzeugt, dass es sich um Begriffe handelt, die für den Glauben gefährlich sind. Das ist katastrophal.

Der gesamte Text wiederholt andauernd, dass die Heilige Jungfrau in keiner Weise die Einzigartigkeit und Zentralität der Mittlerschaft unseres Herrn und seine einzigartige Rolle als Erlöser beeinträchtigen darf. Diese Sorge erscheint fast pathologisch, eine Art spirituelle Paranoia, die für einen Katholiken nicht erklärbar ist. Es kann doch kein Gläubiger, der in den Wahrheiten des Glaubens wohl unterrichtet ist, sich an die Heilige Jungfrau wendet und sich von ihr leiten lässt, Gefahr laufen, sie zum Nachteil unseres Herrn zu sehr zu verehren. Die vom Glauben erleuchtete Marienverehrung hat nur ein Ziel: uns zu ermöglichen, tiefer in das Geheimnis unseres Herrn und der Erlösung einzudringen. Vor dem Konzil hatte man das gut verstanden – und umgesetzt. Wir stehen hier vor einem Teufelskreis, der an Absurdität grenzt: Man warnt uns vor einem vermeintlich missbräuchlichen Mittel, um ein Ziel zu erreichen, obwohl uns genau dieses Mittel für genau dieses Ziel gegeben wurde.

Glauben Sie, dass das ökumenische Anliegen der einzige Grund für diesen Schritt des Vatikans ist?

Don Davide Pagliarani: Ich glaube, dass noch ein weiterer Grund berücksichtigt werden muss. Die im römischen Dokument beanstandeten Ausdrücke stehen in direktem Zusammenhang mit dem Geheimnis der Erlösung und der daraus fließenden Gnade. Tragischerweise ist aber der Begriff der Erlösung heute nicht mehr derselbe. Tatsächlich geht man zu den Begriffen „Sühneopfer für unsere Sünden“ und „genugtuendes Opfer für die göttliche Gerechtigkeit“ immer weiter auf Abstand. Man lehnt die Vorstellung eines Opfers ab, das Gott dargebracht wird, um seine Gerechtigkeit zu besänftigen. In der modernen Sichtweise braucht Unser Herr weder Verdienste zu erwerben noch für unsere Sünden Genugtuung zu leisten oder ein sühnendes Opfer darzubringen, denn die Barmherzigkeit Gottes ändert sich nicht angesichts der Wirklichkeit der menschlichen Sünde: sie ist unbedingt. Gott vergibt immer, aus reiner Freigebigkeit.

Daher ist Unser Herr der Erlöser in einem völlig neuen Sinn: Sein Tod ist nichts anderes als die letzte und höchste Offenbarung dieser barmherzigen Liebe des Vaters. Es ist also nicht verwunderlich, dass aus dieser Verzerrung der Erlösung unweigerlich eine grundlegende Unfähigkeit resultiert, zu verstehen, wie und warum die Allerseligste Jungfrau aufgrund ihrer Leiden damit in Verbindung gebracht werden könnte.

In diesem Zusammenhang enthält der Text des Glaubensdikasteriums eine aufschlussreiche Warnung: „Deshalb sind Titel und Bezeichnungen zu vermeiden, die sich auf Maria beziehen und sie als eine Art ‚Blitzableiter‘ für die Gerechtigkeit des Herrn darstellen, so als ob Maria eine notwendige Alternative zur unzureichenden Barmherzigkeit Gottes wäre.“

Kommen wir zurück zum Begriff der „Miterlösung“. Warum erscheint er Ihnen so wichtig?

Don Davide Pagliarani: Er ist in erster Linie Ausdruck einer einheitlichen Entwicklung des katholischen Dogmas und wurde als gemeinsame theologische Schlussfolgerung angesehen, von manchen sogar als eine Wahrheit, die als Glaubensdogma definiert werden kann. Der Begriff hat seinen Ursprung im Evangelium selbst und verdeutlicht die genaue Bedeutung der Verbindung mit dem Erlösungswerk, die unser Herr für seine Mutter gewollt hat.

Es handelt sich weder um eine parallele Erlösung noch um etwas, das dem Werk unseres Herrn hinzugefügt würde, wie uns eine gewisse Karikatur fälschlicherweise glauben machen möchte. Es handelt sich ganz einfach um eine absolut einzigartige Einbindung in das Werk Christi, die ohnegleichen ist, und die der Muttergottes ihren rechtmäßigen Platz zuerkennt und daraus die notwendigen Konsequenzen zieht.

Welche Argumente von Autoritäten verwendet der Text des Dikasteriums für die Glaubenslehre?

Don Davide Pagliarani: Diese theologische Note zitiert die ablehnende Meinung von Kardinal Josef Ratzinger, der der Ansicht war, dass der Begriff der Miterlösung nicht ausreichend in der Heiligen Schrift verankert sei. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Kardinal Ratzinger selbst zum Thema Erlösung Theorien vertrat, die nicht traditionell waren. Die Note stützt sich jedoch vor allem auf die Autorität von Papst Franziskus. Stellen wir seine Worte zusammen, wie sie im Text zitiert werden: Papst Franziskus „führte an, dass Maria ‚nie etwas von ihrem Sohn für sich selbst [hat] beanspruchen wollen. Sie hat sich nie als Mit-Erlöserin präsentiert. Nein, Jüngerin.‘ Das Erlösungswerk ist vollkommen und bedarf keinerlei Ergänzung. Deshalb, ‚die Gottesmutter wollte Jesus keinen Titel wegnehmen […]. Sie hat nicht für sich darum gebeten, eine Quasi-Erlöserin oder Mit-Erlöserin zu sein: nein. Der Erlöser ist einer allein, und dieser Titel verdoppelt sich nicht.‘ Christus ‚ist der einzige Erlöser: Es gibt keine Mit-Erlöser neben Christus.“

Diese Worte sind erschütternd. Sie sind eine Karikatur der wahren Gründe, auf denen die Miterlösung beruht. Sagen wir einfach, dass es nicht um das geht, was die Muttergottes sich gewünscht hätte – das wäre lächerlich. Es geht darum, anzuerkennen, was die göttliche Weisheit ihr gegeben und von ihr verlangt hat: Im einzigartigen Werk der Erlösung wurde ihr die Aufgabe übertragen, für uns eine angemessene Genugtuung zu leisten, während Jesus Christus für uns in strikter Gerechtigkeit Genugtuung leistete; aufgrund ihrer vollkommenen Liebe und ihrer einzigartigen Vereinigung mit Gott wurde ihr gegeben, für uns das zu verdienen, was unser Herr in strikter Gerechtigkeit verdient hat.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Miterlösung und der Vermittlung aller Gnaden?

Don Davide Pagliarani: Es ist offensichtlich, dass zwischen diesen beiden Begriffen ein Zusammenhang besteht: Aus diesem Grund wird auch der Titel „Mittlerin aller Gnaden” in Frage gestellt, da seine Verwendung mittlerweile als gefährlich gilt und daher dringend von ihm abgeraten wird, wie wir noch genauer sehen werden.

Aufgrund der Verbindung Unserer Lieben Frau mit dem Erlösungswerk und weil sie uns, wenn auch in anderer Weise, alles verdient hat, was unser Herr uns verdient hat, wurde sie von unserem Herrn selbst zur Spenderin aller so verdienten Gnaden eingesetzt. Dies geht aus den Untersuchungen der traditionellen Theologie sowie aus dem Lehramt des heiligen Pius X. hervor, das wir oben angesprochen haben.

Natürlich leugnet die lehrmäßige Note nicht die Möglichkeit, dass die Heiligen und die Allerseligste Jungfrau Verdienste erwerben können. Aber implizit stellt sie die universelle und notwendige Vermittlung Mariens bei der Verteilung der Gnaden in Frage: „In die vollkommene Unmittelbarkeit zwischen dem Menschen und Gott in der Mitteilung der Gnade kann nicht einmal Maria eingreifen. Weder die Freundschaft mit Jesus Christus noch das Innewohnen der Heiligsten Dreifaltigkeit können als etwas verstanden werden, das uns durch Maria oder die Heiligen zukommt. Was wir auf jeden Fall sagen können, ist, dass Maria dieses Gut für uns wünscht und gemeinsam mit uns darum bittet. […] Gott allein ist Quelle der Rechtfertigung, nur der dreifaltige Gott. Er allein erhebt uns, um den unendlichen Abstand, der uns vom göttlichen Leben trennt, zu überwinden; er allein wirkt in uns seine trinitarische Einwohnung, er allein hat Zugang zu unserem Inneren; er verwandelt uns und gewährt uns Teilhabe an seinem göttlichen Leben. Maria wird nicht dadurch geehrt, dass man ihr irgendeine Vermittlung bei der Verwirklichung dieses ausschließlich göttlichen Werkes zuschreibt.“

In Wirklichkeit hat uns die Allerseligste Jungfrau aus den bereits genannten Gründen nicht nur einige Gnaden, sondern alle und jede einzelne Gnade verdient; und sie hat uns nicht nur deren Anwendung, sondern auch deren Erlangung am Fuße des Kreuzes verdient: denn sie war mit Christus, dem Erlöser, im Akt der Erlösung hier auf Erden vereint, bevor sie im Himmel für uns Fürsprache einlegte.

Warum wird also vor der Verwendung des Begriffs „Mittlerin aller Gnaden“ gewarnt, und warum wird dieser Begriff als ungeeignet angesehen, um ein richtiges Verständnis der Rolle der Jungfrau zu gewährleisten?

Don Davide Pagliarani: Zu diesem Punkt können wir antworten, dass die Verfasser des Textes voreingenommen sind: Sie akzeptieren nicht, dass Gott anders entschieden – und die Tradition anders erklärt – hat, als es ihrer vorgefassten Meinung entspricht.

Es ist richtig zu sagen, dass unser Herr der einzige Mittler ist und dass es nur eine einzige Erlösung gibt, nämlich seine überreiche Erlösung. Aber so wie unser Herr frei die Mittel wählt, um die Erlösung zu verwirklichen – insbesondere indem er am Kreuz stirbt, obwohl er auch ein anderes Mittel hätte wählen können –, so wählt er auch frei, seine Mutter nach seinem Willen in sein Werk einzubeziehen. Niemand, nicht einmal der Präfekt des Glaubensdikasteriums, kann unserem Herrn die Macht absprechen, gemäß seiner göttlichen Weisheit zu handeln und seine Mutter zur Miterlöserin und universellen Mittlerin der Gnaden zu machen. Unser Herr ist sich dessen bewusst, dass er dadurch nichts von seiner Würde als Erlöser einbüßt. Aber die Konsequenz dieser Entscheidung unseres Herrn ist klar: So wie es notwendig ist, sich an ihn zu wenden, um gerettet zu werden, so ist es auch notwendig, sich an seine Mutter zu wenden, wenn auch in anderer Weise. Diese Notwendigkeit nicht anzuerkennen bedeutet, die Anordnungen unseres Herrn, die Tradition der Kirche und die Mittel, die den Christen zu ihrer Erlösung gegeben sind, abzulehnen.

Diese vorgefasste Meinung, um nicht zu sagen Halsstarrigkeit, taucht im Text sehr häufig auf. Beschränken wir uns auf einige Passagen: „Wenn wir bedenken, dass die trinitarische Einwohnung (ungeschaffene Gnade) und die Teilhabe am göttlichen Leben (geschaffene Gnade) untrennbar miteinander verbunden sind, können wir nicht annehmen, dass dieses Geheimnis durch einen ‚Durchgang‘ durch die Hände Mariens bedingt sein kann“; „keine menschliche Person, nicht einmal die Apostel oder die Gottesmutter, kann als universaler Spender der Gnade handeln“; „andererseits birgt der oben erwähnte Titel [Mittlerin aller Gnaden] die Gefahr, die göttliche Gnade so zu betrachten, als sei Maria eine Verteilerin geistiger Güter oder Energien, unabhängig von unserer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus.“

Wie beurteilen Sie aus pastoraler Sicht die Auswirkungen dieser Entschei­dungen des Glaubensdikasteriums?

Don Davide Pagliarani: Ich glaube sagen zu können, dass die negativen Auswirkungen vielfältig und katastrophal sein werden.

Zunächst einmal dürfen wir nicht vergessen, dass Maria das vollkommene Vorbild für ein christliches Leben ist. Indem der Text die Verbindung der Muttergottes mit dem Erlösungswerk herunterspielt, spielt er auch den Aufruf an jede Seele herunter, durch das Kreuz am Erlösungswerk, an der Wiedergutmachung und an der persönlichen Heiligung teilzunehmen. Das entspricht haargenau einer protestanti­schen Sichtweise des christlichen Lebens, in der kein Platz mehr für eine Mitwirkung am Werk Christi ist, das uns heiligt und erlöst. Aus diesem Grund hat Luther das religiöse Leben zerstört und jedes gute Werk, einschließlich der Heiligen Messe, als Beleidigung der Größe des Werkes Christi angesehen, das vollkommen ist und daher keiner Ergänzung bedarf. Jede Hinzufügung würde einer Verkürzung seiner Vollkommenheit gleichkommen. Als Katholiken bekennen wir genau das Gegenteil: Weil das Werk Christi vollkommen ist, kann es die Mitwirkung der Geschöpfe einschließen, ohne etwas von seiner ihm eigenen Vollkommenheit zu verlieren.

Zweitens erscheinen mir diese Entscheidungen des Glaubensdikasteriums im gegenwärtigen Umfeld katastrophal, insbesondere für den Glauben und das spirituelle Leben der einfachsten und bedürftigsten Seelen. Ich denke dabei an die sozialen und moralischen Randgebiete, um einen Begriff zu verwenden, der unter dem vorherigen Pontifikat in Mode war. Den am schlimmsten verlassenen Menschen bleibt oft nur noch die Allerseligste Jungfrau als Zuflucht in der aktuellen Wüste. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie eine einfache und aufrichtige Verehrung der Allerseligsten Jungfrau solchen Seelen das Heil sichern kann, die nicht einmal die Möglichkeit haben, regelmäßig einem Priester zu begegnen. Aus diesem Grund scheint mir ein Text des Glaubensdikasteriums, der Seelen vor traditionellen marianischen Begriffen warnen soll, unqualifiziert und pastoral unverantwortlich zu sein.

Schließlich müsste die Kirche selbst heute mehr denn je zuvor die erhabenen Eigenschaften der Allerseligsten Jungfrau wiederentdecken: Konfrontiert mit dem Druck einer Welt, welche die Seelen immer mehr in Apostasie und Unreinheit stürzt, bieten sich diese erhabenen Eigenschaften als das beste Mittel an, um diesem Druck zu widerstehen und nicht vom Glauben abzufallen.


Hätten Sie einen pastoralen Ratschlag für die Verfasser des Textes?

Don Davide Pagliarani: Der Gedanke, daran zu erinnern, dass unser Herr der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist und dass es nur eine einzige wahre Erlösung gibt, nämlich die seine, ist an sich lobenswert, und gerade heute muss man sich daran erinnern.

Das Problem besteht doch darin, dass es nicht die Katholiken sind, die man – mit dem schädlichen Ziel, sie vor Einmischungen oder einer angeblichen Konkurrenz durch die Allerseligste Jungfrau zu warnen – daran erinnern muss. Vielmehr müsste man diese Wahrheit den Juden, Buddhisten, Muslimen und all denen predigen und in Erinnerung rufen, die unseren Herrn nicht kennen, seien es nichtchristliche Gläubige oder Atheisten.

Übrigens wurde ja im Vatikan am 28. Oktober dieses Jahres der 60. Jahrestag der Verkündung von Nostra Aetate gefeiert, also des Konzilsdokuments, das die Grundlage für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen bildet. Das ist gelinde gesagt paradox, da dieser Dialog – der in den letzten sechzig Jahren zu den beklagenswertesten interreligiösen Treffen geführt hat – eine klare und ausdrückliche Leugnung der Tatsache ist, dass unser Herr der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, und dass die katholische Kirche gegründet wurde, um diese Wahrheit der Welt zu verkünden.

Gibt es Ihrer Meinung nach einen anderen traditionellen marianischen Begriff, der es verdient, bekannter zu werden?

Don Davide Pagliarani: Im Offizium der Heiligen Jungfrau definiert die Liturgie sie als „diejenige, die sämtliche Häresien ausgerottet hat“. Ich denke, dass dieser Begriff durch theologische Forschung weiter vertieft werden sollte. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie die Kirche die Muttergottes als Hüterin der katholischen Wahrheit betrachtet. Das steht in direktem Zusammenhang mit ihrer Rolle als Mutter. Sie könnte nicht in jedem von uns unseren Herrn gebären, ohne uns die Wahrheit und die Liebe zur Wahrheit zu vermitteln, denn unser Herr ist die Wahrheit selbst, Fleisch geworden, den Menschen geoffenbart. Durch den Glauben und in der Reinheit des Glaubens werden die Seelen erneuert und haben die Möglichkeit, nach dem Bild unseres Herrn zu wachsen.

Ich glaube, wir begreifen diesen notwendigen Zusammenhang zwischen der Reinheit des Glaubens und der Authentizität des christlichen Lebens nicht hinreichend. Die Muttergottes, die alle Irrtümer zerstört, ist der Schlüssel zum Verständnis dieser Wahrheit.

Zum Abschluss dieses Gesprächs: Welches Gebet zu Ehren Unserer Lieben Frau würden Sie wählen?

Don Davide Pagliarani: Ganz ohne zu zögern würde ich das folgende Gebet wählen, das ebenfalls in der Liturgie zu finden ist:

„Dignare me laudare te, Virgo sacrata. Da mihi virtutem contra hostes tuos.
Würdige mich, dich zu preisen, heilige Jungfrau. Gib mir Kraft gegen deine Feinde.“

Dieses Gespräch wurde geführt in Menzingen am 9. November 2025, 
am Festtag der Weihe der Basilika des Allerheiligsten Erlösers.

Quelle: FSSPX

Ein Gedanke zu „„Mit der Ablehnung des Titels ‚Miterlöserin‘ beraubt man die Heilige Jungfrau ihrer Krone.“

  1. Franziska Magister

    Kardinäle, die für das Dogma der Miterlöserin, Mittlerin aller Gnaden und Fürsprecherin
    sind:
    1. Eminenz Ernesto Kardinal Corripio Ahumada, Erzbischof von Mexiko
    2. Eminenz Juan Kardinal Carlos Aramburu, ehem. Erzbischof von Buenos Aires. Argentinien
    3. Eminenz Paulo Evaristo Kardinal Arns, Erzbischof von Sao Paolo, Brasilien
    4. Eminenz Luis Kardinal Aponte Marinez, Erzbischof von San Juan de Puerto Rico
    5. Eminenz Miguel Kardinal Obando Bravo, Erzbischof von Managua
    6. Eminenz Guiseppe Kardinal Caprio, ehem. Präsident der wirtschaftl. Angelegenheiten des Hl.
    Stuhles
    7. Eminenz John Kardinal Carberry, ehemaliger Erzbischof von St. Louis, USA
    8. Emenenz Mario Luigi Kardinal Ciappi, O.P., ehemaliger päpstlicher Theologe der Päpste Pius XII.,
    Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I. Und Johannes Paul II.
    9. Eminenz Albert Kardinal Decourtray, Erzbischof von Lyon
    10. Eminenz Bernardino Kardinal Echeverría Ruiz, Erzbischof von Guayaquil, Ecuador
    11. Eminenz Vincenzo Kardinal Fagiolo, Präsident der Disziplinarkommision der röm. Kurie
    12. Emenenz José Kardinal Freire Falcoa, Erzbischof von Brasilien
    13. Eminenz Juan Francisco Kardinal Fresno Larráin, ehem. Erzbischof von Santiago de Chile
    14. Eminenz Edouard Kardinal Gagnon, P.S.S., Präsident des päpstlichen Komitees für Internatioale
    Eucharistische Kongresse
    15. Eminenz Jozef Kardinal Glemp, Erzbischof vonWarschau und Kardinal von Polen
    16. Eminenz Hans Hermann Kardinal Groer, ehemaliger Erzbischof von Wien
    17. Eminenz Heryk Roman Kardinal Gulbinowicz, Erbischof von Wroclaw, Polen
    18. Eminenz Franjo Kardinal Kuharic, Erzbischof von Zagreb, Promas von Kroatien
    19. Eminenz Joe Alf Kardinal Lebrún Moratinos, ehem. Erzbischof von Caracas, Venezuela
    20. Eminenz Juan Kardinal Landázuri Ricketts, ehem. Erzbischof von Lima
    21. Eminenz Jean-Marie Kardinal Lustiger, Erzbischof von Paris
    22. Eminenz Emmanuel Kardinal Naubuga
    23. Eminenz John Kardinal O’Conner, Erzbischof von New York, USA
    24. Eminenz Silvio Kardinal Oddi, ehemaliger Präfekt der Kleruskongregation
    25. Eminenz Maurice Michael Kardinal Otunga, Erzbischof von Nairobi
    26. Eminenz Antony Kardinal Padiyara, Erzbischof von Ernakulam, Indien
    27. Eminenz Opilio Kardinal Rossi, ehemaliger Präsident des päpstlichen Komitees für Internationale
    Eucharistische Kongresse
    28. Eminenz Pietro Kardinal Palazzini, ehemaliger Präfekt der Kongregation für Seligsprechungen
    29. Eminenz Raúl Francisco Kardinal Primatesta, Erzbischof von Kordowa
    30. Eminenz António Kardinal Ribeiro, Patriarch von Lissabon
    31. Eminenz Aurolio Kardinal Sabattani, Erzbischof von Giustiniana
    32. Eminenz Iniguez Juan Kardinal Sandoval, Erzbischof von Guadlajara, Mexico
    33. Eminenz Alexandre José Maria Kardinal dos Santos, Erzbischof von Maputo (Mozambique)
    34. Eminenz Jaime Kardinal Sin, Erzbischof von Manila, Primas der Philippinen
    35. Eminenz Alfons Kardinal Stickler, S.D.B., ehemaliger Bibliothekar und Archivist, der Heiligen
    Römischen Kirche, Vatikan, Österreich
    36. Eminenz Joseph Kardinal Satowaki, ehemaliger Erzbischof von Nagasaki, Japan
    37. Eminenz Christian Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, Österreich
    38. Eminenz Adolfo Antonio Kardinal Suarez Rivera, Erzbischof von Monterrey, Mexiko
    39. Eminenz Christian Wiyghan Kardinal Tumi, Erzbischof von Douala
    40. Eminenz Paulos Kardinal Tzadua, Erzbischof von Addis Abeba, Athiopien
    41. Eminenz Corrado Kardinal Ursi, ehemaliger Erzbischof von Neapel, Italien
    42. Eminenz Augusto Kardinal Vargas Alzamora, Erzbischof von Lima, Peru
    43. Eminenz Ricardo Kardinal Vidal, Erzbischof von Cebu, Philippinen
    44. Eminenz Norberto Kardinal Rivera Carrera (147)
    1942 unterzeicheten 113 Kardinäle, 18 Patriarchen, 2505 Erzbischöfe und Bischöfe, 32 291 Priester und
    Ordensleute, 50 975 Ordensfrauen und über 8 Millionen Gläubige für eine Pedition der Miterlöserin der
    beiden Jesuiten: Pater Wilhelm Hentrich und Pater Rudolf Walter de Moos, zwei Bände von Peditionen
    veröffentlichten sie, die an das Heilige Offizium gesandt worden waren.
    Gebet für das fünfte marianische Dogma:
    Herr Jesus Christus, gewähre dass die Welt durch die feierliche Verkündigung Deines päpstlichen
    Vikars auf Erden, erkenne, dass Deine Mutter wirklich unsere Mutter ist, die geistige Mutter aller
    Menschen.
    Möge Maria, die Miterlöserin, Mittlerin aller Gnaden und Fürsprecherin sich einsetzen für den wahren
    Frieden auf der Welt, und so den Triumph ihres Unbefleckten Herzens herstellen. Möge der Heilige
    Geist, durch das Unbefleckte Herz Mariens, die Erde zu einem neuen Pflingsten entzünden, damit
    dies zu einem neuen Frühling des Lebens und der Liebe für die Kirche und die ganze Welt führen.
    Amen.

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