Pater Daniel-Ange zu Traditionis Custodes

Pater Daniel-Ange ist „fassungslos“ über das Motu proprio Traditionis custodes.

„Heiliger Vater, haben Sie den Mut und die Demut, eine so unversöhnliche Entscheidung rückgängig zu machen“

(Paris) Am Tag seines 40. Priesterjubiläums, dem 23. Juli, brachte der bekannte Priester Daniel-Ange Gedanken zu dem wenige Tage zuvor von Papst Franziskus erlassenen Motu proprio Traditionis custodes zu Papier. Daniel-Ange de Maupeou d’Ableiges ist der Gründer der geistlichen Bewegung Jeunesse-Lumière, einer „internationalen katholischen Schule des Gebets und der Evangelisation“, die der Charismatischen Erneuerung zugeordnet wird.  Der heute 88 Jahre alte Daniel-Ange unterhält langjährige Kontakte zu Gemeinschaften der Tradition und zelebrierte selbst bereits im überlieferten Ritus, ohne ihn sich ständig zu eigen zu machen. „Umso bedeutender ist sein Zeugnis“, so die französische Nachrichtenseite Le Salon Beige, die den vollständigen Wortlaut der Stellungnahme vor wenigen Tagen veröffentlichte.

Daniel-Ange ist unter seinen Vornamen bekannt, wobei sein zweiter Vorname Ange, „Engel“, nicht selten für seinen Familiennamen gehalten wird. Den Namen seiner katholischen Familie kennt hingegen kaum jemand, da der 1932 in Brüssel geborene Priester, Eremit und Missionar bescheiden auf ihn verzichtet. Seine Mutter Hedwige d’Ursel (1902–1987) war die Tochter des Herzogs von Ursel und Hoboken, einer ursprünglich aus Thüringen stammenden belgischen Adelsfamilie, die seit dem späten 15. Jahrhundert in den Habsburgischen (Österreichischen) Niederlanden eine bedeutende Rolle spielte. Sein Vater Gaston de Maupeou d‘Ableiges, Marquis de Monbail (1896–1988), war ein französischer Konteradmiral, Offizier der französischen Ehrenlegion und Geheimkämmerer von Papst Pius XII. Der Familie väterlicherseits wie mütterlicherseits entstammten zahlreiche Staatsmänner, Militärs und Bischöfe. Beiden Eltern war es im hohen Alter vergönnt, 1981 in Lourdes der Priesterweihe ihres Sohnes beiwohnen zu können. 

Daniel-Ange war 1950, nachdem er kriegsbedingt seine Schulausbildung in der Schweiz, dann in England genossen hatte, in die Benediktinerabtei Clerf in Luxemburg eingetreten. Es folgte das Studium der Philosophie und der Theologie in Frankreich und in der Schweiz, das zunächst durch den Militärdienst als Sanitäter in Belgien, eine Zeit bei den Kleinen Brüdern Jesu von Charles de Foucauld, die Mitgründung der monastischen Fraternité de la Vierge des Pauvres (Bruderschaft der Jungfrau der Armen), für die er dreizehn Jahre als Missionar in Ostafrika wirkte, und dann die Zurückgezogenheit in die Weltabgeschiedenheit eines Eremiten unterbrochen war. Inmitten seiner Jahre als Einsiedler in den Westalpen, in denen er die ersten Bücher schrieb, wurde er 1981 in Lourdes, kurz vor seinem 49. Geburtstag, von Kardinal Bernardin Gantin zum Priester geweiht. In diesen acht Jahren erfolgte sein Wechsel vom monastischen zum apostolischen Leben. Er gehörte der theologischen Untersuchungskommission zu den Marienerscheinungen von Kibeho in Ruanda an, die 2000 von der Kirche anerkannt wurden.

„Ich bin fassungslos und erschüttert“

Seine Stellungnahme zu Traditionis custodes beginnt Daniel-Ange mit den Worten:

„Ich bin fassungslos.“

Er sei „erschüttert“ über dieses Motu proprio, von dem man nur sagen könne, daß es einen „k. o.“ hinterlasse. 

„Ich teile die Tränen so vieler meiner Freunde und Verwandten. Ich bete, daß sie nicht zu Verbitterung, wenn nicht gar zu Aufruhr und Verzweiflung verleitet werden.“

„Warum diese Härte, ohne einen Funken Gnade oder Mitgefühl? Wie können wir nicht verblüfft und erschüttert sein?“

„Um nur von Frankreich zu sprechen: Weiß der Papst, daß es wunderbar strahlende Gruppen und Gemeinschaften gibt, die viele junge Leute, junge Paare und Familien anziehen? Sie werden vom Sinn für das Heilige, die liturgische Schönheit, die kontemplative Dimension, die schöne lateinische Sprache, die Folgsamkeit gegenüber dem Stuhl Petri, die eucharistische Inbrunst, die häufige Beichte, die Treue zum Rosenkranz, die Leidenschaft für die Seelen, die gerettet werden sollen, und viele andere Elemente angezogen, die sie — leider! — in vielen unserer Gemeinden nicht finden können.

Sind nicht alle diese Elemente prophetisch?“

Und weiter:

„In ihren Versammlungen dominieren junge Leute und Familien, deren Sonntagspraxis fast 100 Prozent beträgt. Und sagen wir nicht, daß sie nostalgisch nach der Vergangenheit streben, daß sie anachronistisch sind. Das Gegenteil ist der Fall: Latein, die Messe ad orientem, Gregorianik, Soutane: Das ist für sie ganz neu. Es hat den ganzen Reiz der Neuheit.“

Daniel-Ange stellt darauf die rhetorische Frage, ob es wirklich erstaunen könne, daß die Ordensgemeinschaften, die das Stundengebet auf Latein und die Eucharistie nach dem Missale Romanum von Johannes XXIII. zelebrieren, „gedeihen und viele junge Menschen anziehen“.

Er denke insbesondere an die Gemeinschaften, „die ich persönlich kennen darf und die ich schätze und bewundere, wie die von Le Barroux und Notre-Dame de la Garde sowie die Missionare der Barmherzigkeit von Toulon. (…) Ganz zu schweigen von der Pfingstwallfahrt nach Chartres, die immer mehr zunimmt.“

Zusammen mit den Pfadfindern und der Gemeinschaft Sankt Martin schenke die kirchliche Bewegung der Tradition der Kirche die meisten Priesterberufungen.

„Ich bezeuge den großen Eifer des Wigratzbader Priesterseminars in Bayern, gegründet von einem gewissen Kardinal … Ratzinger.“

„In einer Welt, die so hart ist, in der der Kampf um die Treue zu Jesus und seinem Evangelium ein Heldentum ist, in der sie in ihren Schulen und sogar in ihren Familien bereits ausgegrenzt, verachtet und verspottet werden, in der alle ihre Werte verachtet, wenn nicht gar prostituiert werden, in der sie sich schrecklich allein und isoliert fühlen, verunsichert, manchmal am Rande der Verzweiflung: Warum aber, warum, verweigert man ihnen diese wenigen Festungen, die ihnen die Kraft, den Mut, die Kühnheit geben, Widerstand zu leisten und durchzuhalten? Wir befinden uns inmitten einer turbulenten Zeit für die Kirche, inmitten des Zusammenbruchs des Glaubens in der Welt. Der Krieg gegen Christus und seine Kirche ist entfesselt, wir befinden uns inmitten eines mörderischen Duells:  Junge Menschen haben mehr denn je ein Recht darauf, unterstützt, gestärkt, bewaffnet, einfach bestärkt zu werden. Wir sollten ihnen nicht einige unserer schönsten Refugien verschließen, wie eine Hochgebirgshütte inmitten tödlicher Gletscherspalten.“

Und weiter:

„Wie kann man nach all dem verstehen, daß der Papst anscheinend nur auf ihre Auslöschung, Auflösung, ihr vollständige Liquidation abzielt? Indem einfach die jetzt auferlegten Normen Anwendung finden? Das zeigt sich daran, daß ihre Priester aus ihren Gemeinden herausgerissen werden und ihnen verboten wird, neue Gemeinden zu gründen. Ist das nicht eine Art Sterilisationsspritze?“

„Das Schlimmste“ sei jedoch, daß „man erklärt, daß das Meßbuch des hl. Johannes XXIII. nicht mehr zum römischen Ritus gehört, da dessen ‚einziger Ausdruck‘ jetzt das Meßbuch von Paul VI. ist. Jener Ritus wird daher ipso facto der Vergangenheit angehören, ist überholt, unzeitgemäß und befindet sich schwerelos in einem Vakuum …“

„Ist das nicht ein Dolchstoß in den Rücken oder vielmehr ins Herz unseres lieben Benedikt XVI.? Sein Geniestreich war, diesen Ritus zu retten, indem er ihn einfach zur zweiten Variante oder Form des einen römischen Ritus machte. Welchen Mut brauchte er! Und das geschah keineswegs nur aus Diplomatie oder Kirchenpolitik, wie das Motu proprio andeutet. Wie oft hat er doch bekräftigt, daß dieser Ritus, der das christliche Volk geheiligt, die ganze Kirche bewässert, so viele Jahrhunderte lang so viele Früchte der Heiligkeit gebracht hat, heute das volle Bürgerrecht hat und ein wesentlicher Bestandteil der lateinischen und römischen Liturgie ist.

Es war ein Skandal, daß man vor 60 Jahren versucht hat, ihn zu entfernen. Und plötzlich, brutal, mit einem Federstrich, wurde er von einem Papst außer Kraft gesetzt, der in seiner Seele sicherlich weniger liturgisch gesinnt ist als dieser Benedikt XVI. mit einer ganz benediktinischen Seele.

Wird Benedikt XVI. in seiner klösterlichen Zurückgezogenheit seinen Nachfolger um Erlaubnis bitten müssen, diesen Ritus, den er so sehr liebte und den er meisterhaft retten konnte, noch einmal zelebrieren zu dürfen?

Werde Papst Franziskus „die Schreie und Tränen seiner Kinder hören?“

  • Daniel-Ange fragt zudem, ob Franziskus die Auswirkungen, „wenn nicht das Erdbeben“, bemessen habe, die „eine solche Unnachgiebigkeit in der Kirche und sogar außerhalb der Kirche zu provozieren droht“, wenn selbst ein Atheist wie Michel Onfray sich „bestürzt“ zeigt über Traditionis custodes.
  • Habe Franziskus „den Schock“ bemessen, „den unsere Brüder in den heiligen orthodoxen Kirchen erleben werden? Das Motu proprio [Summorum Pontificum] des von ihnen als großen Theologen hochgeschätzten Benedikt XVI. beruhigte sie, daß die lateinische Kirche den jahrhundertealten liturgischen Ritus bewahrt und schützt.“
  • Habe Franziskus das „Erdbeben“ bemessen, unter „so vielen jungen Leuten, jungen Paaren, ganzen Familien, die dem römischen Lehramt treu“ sind, aber nun den „bitteren Eindruck“ gewännen, „betrogen, wenn nicht verraten worden zu sein“.

„Wie kann man nicht mit ihnen weinen?“

Daniel-Ange formuliert zum Abschluß eine Bitte an die Bischöfe:

„Möge es zumindest eine große Welle des Mitleids in der Taufe, der brüderlichen und väterlichen Zuneigung auf Seiten unserer Bischöfe geben, sie von inständigen Gebeten zu umgeben, sie zu trösten, aufzurichten, zu unterstützen, zu ermutigen und willkommen zu heißen. Inständig, großzügig, das heißt, liebevoll.

Das letzte Wort aber gilt Papst Franziskus:

„Lieber Heiliger Vater – den ich auch liebe, schätze und bewundere – im Namen vieler meiner Freunde, jung und alt, wage ich in kindlicher Einfachheit, Ihnen meine tiefe Trauer mitzuteilen. Von närrischer Zuversicht angetrieben, wage ich zu hoffen, daß Sie wegen so vieler Tränen auf den Wangen Ihrer eigenen Kinder den Mut und die Demut haben werden, eine so unversöhnliche Entscheidung rückgängig zu machen.

Wider alle Hoffnung hoffe ich!“

Quelle: katholisches, G. N. Bild: Youtube/KTO (Screenshot)

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