Kardinal Müller: So hat Papst Franziskus mich entlassen

Nach Erzbischof Gänswein und den Kardinälen Pell und Zen meldet sich nun auch Kardinal Müller öffentlich zu Wort: In einem neuen Buch berichtet er von seiner Entlassung und wie er sie sich erklärt. Am Franziskus-Pontifikat hat er einiges auszusetzen. Bild: © KNA/Paul H./CNS photo (Archivbild)

NEUES BUCH ÜBT SCHARFE KRITIK AM GEGENWÄRTIGEN PONTIFIKAT

In einem neuen Interviewband berichtet Kardinal Gerhard Müller, wie er seine überraschende Abberufung als Präfekt der Glaubenskongregation erlebt hat. Das Buch mit dem Titel „In buona fede“ („In gutem Glauben“) erscheint offiziell Ende kommender Woche in italienischer Sprache im Verlag Solferino. In ersten veröffentlichten Ausschnitten des Gesprächs mit der Vatikan-Journalistin Franca Giansoldati äußert sich Müller ausgesprochen kritisch über die Amtsführung von Papst Franziskus und klagt über willkürliche und zentralistische Entscheidungen des Pontifex.

Seine Entlassung als Präfekt Ende Juni 2017 nach fünf Jahren an der Spitze der Glaubenskongregation habe ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Noch am Vortag hätte Papst Franziskus ihn nach der Messe zum Hochfest Peter und Paul öffentlich umarmt und ihm sein Vertrauen versichert. Bei der Audienz am nächsten Tag habe er Routineangelegenheiten besprechen wollen. Stattdessen habe ihn der Papst kühl entlassen. „Am Ende des kurzen Gesprächs sagte er kurz und bündig: ‚Sie haben Ihr Mandat erfüllt. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit‘, ohne mir einen Grund zu nennen, und auch danach hat er mir keinen genannt“, berichtet der Kardinal. Müller will erfahren haben, dass Franziskus die Abberufung von langer Hand geplant habe und sofort nach der Audienz den Nachfolger Müllers, den spanischen Jesuiten Luis Ladaria, angerufen habe.

Autoritäre und zentralistische Tendenzen

Für Müller ist dieses Vorgehen von Franziskus symptomatisch für dieses Pontifikat. Auch andere Kuriale seien auf Geheiß des Papstes überraschend und ohne Angabe von Gründen entlassen worden. Der Kardinal betonte aber, dass er stets Wert darauf gelegt habe, loyal zum Papsttum zu bleiben. Das habe er auch Vertretern der wachsenden Opposition gegen Franziskus innerhalb der Kirche gesagt. „Das Wohl der Kirche muss meiner Meinung nach immer Vorrang haben, es muss ein absoluter Grundsatz bleiben. Man muss immer bestrebt sein, die Einheit zu verteidigen“, so Müller. Gründe für seine Entlassung kennt der Kardinal nicht. Er vermutet aber eine Abneigung von Franziskus gegen seinen Stil, die der jetzige Papst als Student in Deutschland entwickelt hätte: „Ich vermute, dass der Papst im Laufe der Zeit eine Art Misstrauen, eine Abneigung gegenüber Theologen, deutschen Akademikern kultiviert hat.“ Ihm sei es aber stets darum gegangen, seine Aufgabe zu erfüllen. „Die Aufgabe eines Präfekten der Glaubenskongregation besteht darin, dem Nachfolger Petri zu helfen, ihm den Weg zu weisen, mit ihm zusammenzuarbeiten und dabei die Lehre im Auge zu behalten, auch um den Preis, dass er Fragen aufwirft angesichts der Gefahr möglicher Lehrfehler in diesem oder jenem Dokument, angesichts schwacher Argumente, die gestärkt und vertieft werden müssen“, so Müller. Das bedeute aber nicht, illoyal oder feindlich gegenüber dem Papst zu sein. Generell spricht sich Müller dafür aus, dass die Kardinäle offen und kritisch ihre Meinung äußern.

Der ehemalige Präfekt stößt sich auch an der von ihm wahrgenommenen Tendenz des Papstes, statt wie angekündigt auf Dezentralisierung zu setzen, auch kleinteilige Entscheidungen an sich zu ziehen. Am Beispiel des im vergangenen Jahr verhängten Verbots von Priesterweihen im französischen Bistum Toulon erläutert Müller, dass der Papst Entscheidungen trifft, die normalerweise zum ureigensten Aufgabenbereich von Diözesanbischöfen gehören. Der Kardinal sieht einen engen Kreis von Vertrauten um Franziskus am Werk, die an den dafür vorgesehenen Strukturen vorbei Entscheidungen vorbereiten: „Im Vatikan scheint es so zu sein, dass Informationen parallel zirkulieren, einerseits über die institutionellen Kanäle, die leider immer weniger vom Pontifex konsultiert werden, und andererseits über die persönlichen Kanäle, die sogar für die Ernennung von Bischöfen oder Kardinälen genutzt werden.“

Kritik am Umgang mit Becciu

Deutlich kritisiert Müller den Umgang mit Kardinal Angelo Becciu, der 2020 aufgrund Vorwürfen von Misswirtschaft von allen Ämtern und den aus dem Kardinalat erwachsenden Vorrechten auf Bitten des Papstes zurückgetreten ist. „Man kann niemanden bestrafen, ohne seine Schuld zu beweisen“, so Müller. Becciu sei vor der ganzen Welt gedemütigt und bestraft worden, ohne die Möglichkeit zu haben, sich zu verteidigen. Sein Prozess im Vatikan läuft derzeit noch. Becciu hat stets seine Unschuld beteuert. Weitere Themen, die Müller laut der Verlangsankündigung in dem Buch anspricht, sind die Außenpolitik des Vatikans, insbesondere mit Blick auf China, den Umgang mit Missbrauch und moraltheologische Themen wie Sexualität, Anthropologie und Abtreibung sowie Einschätzungen zur Lage der Kirche in Deutschland.

Seit dem Tod des emeritierten Papstes häufen sich konservative Stimmen aus dem Bischofskollegium. Die Memoiren von Erzbischof Georg Gänswein, in denen er über seine Zeit mit Benedikt XVI. von den ersten Kontakten in der Glaubenskongregation an berichtet, sorgten bereits für Unmut bei Kardinälen und Bischöfen, auch Papst Franziskus soll die teils ihm gegenüber kritischen Veröffentlichungen missbilligt haben. Ein kurz vor seinem überraschenden Tod Anfang des Jahres verfasster Beitrag von Kardinal George Pell äußerte massive Vorbehalte gegen den durch den Papst initiierten weltweiten Synodalen Prozess. In dieser Woche äußerte sich der emeritierte Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, in einem Interview ähnlich.

Quelle: katholisch.de

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