Traditionis custodes zeige einen Hirten, der die Schafe „wütend mit dem Stock schlägt“

Seine Exzellenz Weihbischof Athanasius Schneider

Weihbischof Athanasius Schneider: „Es wird eine weltweite Kette von Katakomben-Messen entstehen“

Weihbischof Athanasius Schneider, einer der herausragendsten Bischöfe der katholischen Kirche, nahm in einem Interview mit der US-amerikanischen Zeitung The Remnant ausführlich zum neuen Motu proprio Traditionis custodes von Papst Franziskus Stellung, mit dem das Kirchenoberhaupt den überlieferten Ritus „erniedrigt“ und eine „Ungerechtigkeit“ gegenüber jenen Katholiken begeht, die diesem Ritus verbunden sind. Vor allem habe Franziskus damit in der Kirche eine „Zweiklassengesellschaft“ geschaffen. Das Interview führte Diane Montagna.

Sein erster Eindruck von Traditionis custodes sei der eines Hirten gewesen, der nicht den „Geruch der Schafe“ habe, sondern „sie wütend mit einem Stock schlägt“.

Durch Traditionis custodes gebe es in der Kirche die „Privilegierten“, die Katholiken „Erster Klasse“, die mit dem Novus Ordo Missae verbunden sind. „Eine große Anzahl katholischer Familien, Kinder, Jugendlicher und Priester“, die mit dem überlieferten Ritus verbunden sind und „mit großem geistlichem Nutzen die Wirklichkeit und das Geheimnis der Kirche erfahren haben“, sind zu Katholiken „zweiter Klasse“ gemacht worden, „die kaum noch geduldet werden“.

Das Motu proprio und der dazugehörende Begleitbrief zeigen, so Weihbischof Schneider, eine „erstaunlich engstirnige Haltung“. Vor allem der „abfällige Ton“ stehe in einem „eklatanten Kontrast“ zu den von diesem Pontifikat verkündeten Leitsätzen. Diese seien das Gegenteil von Uniformität, die Franziskus im liturgischen Bereich anstrebe. Der Gesamteindruck „als Ganzes“ zeige eine „pastorale Intoleranz und sogar spirituelle Starrheit“. In dem von ihm unterzeichneten Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen „begrüßt Papst Franziskus die ‚Vielfalt der Religionen‘, während er in seinem neuen Motu proprio die Vielfalt der liturgischen Formen im römischen Ritus entschieden ablehnt“.

Der Weihbischof lobte seine Mitbrüder im Bischofsamt, die als Reaktion auf Traditionis custodes die Gläubigen unterstützt haben. Darin zeige sich, daß das Motu proprio einen „Bumerang-Effekt“ haben werde. In Anspielung auf das Motu proprio, in dem der Heilige Geist in Anspruch genommen wird, betont Msgr. Schneider, daß das weltweite „kontinuierliche Wachstum“ der Meßorte des überlieferten Ritus „zweifellos das Werk des Heiligen Geistes und ein wahres Zeichen der Zeit“ sei.

Damit sie nicht zu „Kämpfern gegen Gott“ werden

Papst Franziskus und jene, die nun mit der Umsetzung des Motu proprio befaßt sind, sollten den Rat des Gamaliel (Apg 5,38f) beherzigen, damit sie nicht zu „Kämpfern gegen Gott“ werden.

„Ein fast tausend Jahre alter gültiger und hoch geschätzter liturgischer Schatz ist nicht das Privateigentum eines Papstes, über das er frei verfügen kann.“

Daß die überlieferte liturgische Form Spaltung schafft und die Einheit der Kirche bedroht, „wird durch die Tatsachen widerlegt“.

„In der Vergangenheit erkannte die römische Kirche die Vielfalt der Ausdrücke in ihrer lex orandi an. In der apostolischen Konstitution, die die tridentinische Liturgie verkündete, Quo Primum (1570), erkannte Papst Pius V., der alle liturgischen Ausdrucksformen der römischen Kirche billigte, die mehr als zweihundert Jahre alt waren, sie als einen ebenso würdigen und legitimen Ausdruck der lex orandi der römischen Kirche an. In dieser Bulle erklärte Papst Pius V., daß er in keiner Weise andere legitime liturgische Ausdrucksformen innerhalb der römischen Kirche aufhebt.“

Der Vergleich, den Franziskus mit Pius V. zog, sei daher nicht angemessen, denn der überlieferte Ritus, der bis zur Liturgiereform von Paul VI. 1969 Gültigkeit hatte, sei nicht durch Pius V. entstanden, sondern „blieb schon Jahrhunderte vor dem Konzil von Trient im wesentlichen unverändert. Die erste gedruckte Ausgabe des Missale Romanum stammt aus dem Jahr 1470, also hundert Jahre vor dem von Pius V. herausgegebenen Meßbuch.“

„Diskriminierung einer fast tausend Jahre alten liturgischen Form“

Das neue Motu proprio von Papst Franziskus sei auch deshalb „zutiefst besorgniserregend“, weil „es eine Haltung der Diskriminierung gegenüber einer fast tausend Jahre alten liturgischen Form der katholischen Kirche zeigt“. Einerseits habe die Kirche „nie“ das abgelehnt, was ihr im Laufe von Jahrhunderten „Ausdruck der Heiligkeit“ gewesen sei. Die Völker Europas und der anderen Kontinente „wurden evangelisiert und doktrinär und geistig durch den überlieferten römischen Ritus geformt“.

Weihbischof Schneider empfiehlt Seminaristen und jungen Priestern, um die Erlaubnis für den überlieferten Ritus anzusuchen und „diesen gemeinsamen Schatz der Kirche zu nutzen“:

„Und sollte ihnen dieses Recht verweigert werden, können sie ihn dennoch nutzen.“

Mit den Normen, die Papst Franziskus in Traditionis custodes festgeschrieben habe, werde versucht, „den Seelen und dem Leben so vieler Katholiken unbarmherzig die überlieferte Liturgie zu entreißen, die heilig ist und die geistliche Heimat dieser Katholiken darstellt“.

Die überlieferte Messe sei „ein Schatz, der der ganzen Kirche gehört, da sie seit mindestens tausend Jahren von Priestern und Heiligen zelebriert und zutiefst geschätzt wird“.

Die neuen Liturgie-Inquisitoren

Die Bischöfe, die seit der Veröffentlichung des neuen Motu proprio die überlieferte Liturgie verboten haben, bezeichnete Weihbischof Schneider als neue „Liturgie-Inquisitoren“ mit einem „erstaunlich rigiden Klerikalismus“, also etwas, das Franziskus in der Vergangenheit beklagt habe.

Das gegen die Tradition gerichtete Motu proprio von Papst Franziskus weise „einige Ähnlichkeiten“ mit den „schicksalhaften und äußerst starren liturgischen Entscheidungen“ auf, die unter Patriarch Nikon von Moskau die russisch-orthodoxe Kirche 1652–1666 getroffen hat. Sie führten zu einem dauerhaften Schisma der Altrituellen, welche die liturgischen und rituellen Praktiken der russischen Kirche wie vor den Reformen von Patriarch Nikon beibehielten.“ „Heute bedauert die russisch-orthodoxe Kirche die drastischen Entscheidungen des Patriarchen Nikon, denn wenn die von ihm umgesetzten Normen wirklich pastoral gewesen wären und die Anwendung des alten Ritus erlaubt hätten, hätte es kein jahrhundertelanges Schisma mit vielen unnötigen und grausamen Leiden gegeben.“

Bischöfe, besonders in den USA und Frankreich, die sich trotz Traditionis custodes hinter die Gläubigen der Tradition stellten, lobte Weihbischof Schneider wegen ihrer „wahren apostolischen und pastoralen Haltung“. Das Motu proprio werde „letztlich ein Pyrrhussieg“ sein und einen „Bumerang-Effekt“ zeigen. Wenn es darum gehe, die überlieferte Form des römischen Ritus zu unterdrücken, „verliert ein Aufruf zum Gehorsam seine Kraft“.

Und wie wird die Zukunft aussehen?

„Mit der Zeit wird sicherlich eine weltweite Kette von Katakomben-Messen entstehen, wie es in Zeiten der Not und Verfolgung geschieht. Wir können in der Tat Zeuge einer Ära geheimer überlieferter Messen werden.“

Quelle: katholisches, G. N. Bild: CFM.SCJ Archiv Alexandria

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert