Archiv für den Monat: Juli 2022

Teil der „klerikalen Vertuschungsgeschichte“

St. Paulus Dom in Münster © Chirayu

Stiftung benennt sich nach Vorwurf gegen früheren Bischof um

Nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie und Vertuschungsvorwürfen gegen ehemalige Bischöfe im Bistum Münster nennt sich die Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Stiftung um. Derzeit finden Überlegungen bezüglich eines neuen Namens statt.

Das teilte die Diözese am Dienstag mit. Beschlüsse sollen in der kommenden Vorstandssitzung fallen. Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung unterstützt Schwangere und Familien in Not.

Forschende der Universität Münster werfen früheren Bischöfen des Bistums Münster in einer Aufarbeitungsstudie große Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen vor. Michael Keller (Amtszeit 1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) hätten verurteilte Geistliche immer wieder in der Seelsorge eingesetzt und damit weitere Taten ermöglicht.

Die Bischöfe seien für eine „klerikale Vertuschungsgeschichte“ verantwortlich. Der aktuelle Amtsinhaber Felix Genn (72) räumte nach Vorlage der Untersuchung eigene Fehler ein und kündigte einen Maßnahmenkatalog an.

Versagen des Bischofs

Schon vor einem Jahr gab es laut Bistum Überlegungen, die Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Stiftung umzubenennen. Die Stiftungsvorsitzende Sigrun Schnieders sehe sich durch die Studie in dieser Absicht bestätigt. Die Informationen „über das Versagen des Bischofs in der Ahndung priesterlicher Übergriffe und insbesondere in einem zugewandten, angemessenen Umgang mit den davon Betroffenen schließe eine Beibehaltung des Stiftungsnamens aus“, hieß es.

Als weitere Reaktion auf die Studie war kürzlich bereits der Zugang zu den Bischofsgräbern im Münsteraner Dom gesperrt worden. Dort liegt auch Tenhumberg begraben. Das Bistum will gemeinsam mit Betroffenen einen Weg erarbeiten, wie künftig der Bischöfe gedacht werden kann.

Studie: Flächendeckender Missbrauch im Bistum Münster

Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer im Bistum Münster ist nach einer Studie der Universität Münster deutlich höher als bekannt. Laut der über zwei Jahre dauernden Forschungsarbeit eines fünfköpfigen Teams gab es von 1945 bis 2020 fast 200 Kleriker und bekannte 610 minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch. Damit sind 4,17 Prozent der Priester betroffen. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster / © Lars Berg 

Der Historiker Thomas Großbölting widersprach bei der Vorstellung der Studie am Montag der Schilderung des 2008 verstorbenen Bischofs Reinhard Lettmann, der von Einzelfällen gesprochen hatte. Missbrauchsfälle habe es flächendeckend in allen Dekanaten des Bistums gegeben und viele hätten davon gewusst, sagte Großbölting und sprach von Vertuschung.

Nachweisen konnten die Forscher jahrzehntelanges Versagen in der Bistumsleitung und Strafvereitelung in verschiedenen Fällen. Dem aktuellen Bischof Felix Genn werfen die Forscher vor, in den vergangenen Jahren gegenüber Tätern nicht die nötige Strenge als Vorgesetzter gezeigt zu haben, wenn diese Reue geäußert hätten. 

Quelle: domradio.de