Wurde die tridentinische Messe abgeschafft?

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Mit der Einführung des neuen Meßritus war keine Abschaffung oder ein Verbot der tridentinischen Messe verbunden. Dies wäre wohl auch kaum möglich gewesen, da die Kirche noch niemals einen so alten Ritus verboten hat und der hl. Pius V. in seiner Bulle Quo primum vom 14. Juli 1570, mit der er die tridentinische Meßordnung festlegte, bestimmte, daß dieser Meßritus für immer gültig sein solle und es einem Priester nie verboten werden dürfe, diese Messe zu feiern. Trotzdem hat man immer wieder behauptet, sie sei abgeschafft, und die meisten Bischöfe haben ihren Priestern verboten, sie zu feiern. In seinem Motu proprio Summorum pontificum vom 7. Juli 2007 hat Benedikt XVI. nun aber offiziell bestätigt, daß die überlieferte Messe nie abgeschafft wurde.

Wörtlich heißt es: «Demgemäß ist es erlaubt, das Meßopfer nach der vom seligen Johannes XXIII. promulgierten und niemals abgeschafften Editio typica des Römischen Meßbuchs als außerordentliche Form der Liturgie der Kirche zu feiern.»[156] In seinem Begleitbrief an die Bischöfe schrieb er: «Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und Beten der Kirche gewachsen sind.»[157] Noch als Kardinal schrieb er in bezug auf das faktische Verbot der alten Messe: «Eine Gemeinschaft, die das, was ihr bisher das Heiligste und Höchste war, plötzlich als strikt verbotene erklärt und Verlangen danach geradezu als unanständig erscheinen läßt, stellt sich selbst in Frage. Denn was soll man ihr eigentlich noch glauben? Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?»[158]

Schon in den 1990er Jahren sagte Kardinal Stickler in einem Interview: «1986 stellte Papst Johannes Paul II. einer Kommission von neun Kardinälen zwei Fragen. Erstens: ‚Verbot Papst Paul VI. oder eine andere zuständige Autorität die weit verbreitete Feier der tridentinischen Messe in der heutigen Zeit?’ Die Antwort, die acht von neun Kardinälen 1986 gaben, war: Nein, die Messe vom hl. Pius V. wurde nie verboten: Ich kann das sagen, denn ich war einer von den Kardinälen. Da war noch eine sehr interessante Frage: ‚Kann ein Bischof einem Priester in gutem Ruf verbieten, weiterhin die tridentinische Messe zu zelebrieren?’ Die neun Kardinäle waren einstimmig der Meinung, daß kein Bischof einem katholischen Priester die Feier der tridentinischen Messe verbieten kann. Wir haben kein offizielles Verbot und ich glaube, der Papst würde nie ein offizielles Verbot aussprechen … eben wegen der Worte Pius V., der sagte, diese Messe wäre für immer.»[159] Praktische Konsequenzen hatte dies aber nicht. Selbst nach Summorum pontificum wird die Feier der überlieferten Messe von einigen Bischöfen im Ungehorsam gegenüber der päpstlichen Weisung noch behindert oder verboten.

[156] Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 178, Bonn 2007, S. 11.
[157] Ebd. S. 25 f.
[158] Salz der Erde, Heyne 2001, S. 188.
[159] Latin Mass Magazine vom 5.5.1995.

Quelle: Katechismus zur kichlichen Krise, Pater Matthias Gaudron, Sarto-Verlag, 2017, 4. Auflage

Pater Andreas Endl Herz Jesu Franziskaner

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