28.06.2018 – Donnerstag der 12. Woche im Jahreskreis

Hl. Teresa von Avila (1515-1582) Karmelitin, Kirchenlehrerin

Aufhorchen in der Seelen-Burg, die auf Felsen gebaut ist

Wenn Gott einer Seele diese Gnade gewährt, so ist er ihr in ganz besonderer Weise behilflich, ihn in ihrem eigenen Innern zu suchen. Dort findet sie ihn weit besser und mit mehr Nutzen als in den Geschöpfen außer sich. Auch der hl. Augustinus bekennt, er habe Gott in seinem Innern gefunden, nachdem er ihn an vielen Orten gesucht. Denkt aber ja nicht, diese Sammlung werde durch den Verstand erworben, der sich bemüht, in seinem Inneren sich Gott als gegenwärtig zu denken, oder durch die Einbildungskraft, die ihn in uns selbst sich vorzustellen sucht. Dies ist zwar gut und eine vorzügliche Betrachtungsweise; sie gründet sich auf die Wahrheit, dass Gott in uns selbst gegenwärtig ist; aber es ist nicht die Sammlung, die ich hier im Auge habe, da sich jene – natürlich, wie alles Gute, nur mit der Hilfe Gottes – jeder erwerben kann. Was ich hier meine, vollzieht sich in ganz anderer Weise; manchmal finden sich die Sinne und Kräfte der Seele, noch ehe man an Gott zu denken beginnt, schon in der Burg, so dass man nicht weiß, wie sie hineingekommen sind […] [Diese Gebetsweise] aber steht nicht in unserem Belieben; es geschieht vielmehr dann, wenn Gott uns diese Gnade erweisen will. Nach meinem Dafürhalten begnadigt Seine Majestät damit nur jene, die schon den weltlichen Dingen entsagt haben; bei denen aber, deren Stand eine solche Losschälung nicht zulässt, muss dies dem Verlangen nach geschehen, soweit ich es verstehe; denn solche Seelen beruft Gott in besonderer Weise, den inneren Dingen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und so glaube ich auch, dass der Herr jenen, die er zu Höherem zu berufen beginnt, nicht nur diese Gnade geben werde, wenn sie Seiner Majestät freie Hand lassen wollen. Wer darum diese Gnade in sich wahrnimmt, der lobpreise den Herrn in besonderer Weise […] Durch seine Dankbarkeit für diese Gnaden wird er sich noch größerer würdig machen. Um die Stimme Gottes hören zu können, wird in einigen Büchern der Rat gegeben, dass man nicht mit den Gedanken hin und her schweift, sondern aufmerksam darauf achtet, was der Herr in der Seele wirkt. […] Bei diesem Werk des Geistes tut am meisten, wer am wenigsten zu tun meint und tun will. Wir haben hier nichts anderes zu tun, als gleich Armen und Notleidenden, die vor einem großen und reichen Herrscher stehen, die göttliche Majestät zu bitten und mit niedergeschlagenen Augen in Demut auf Erhörung zu warten. Erst dann, wenn wir durch geheime Wege Gottes zu vernehmen glauben, er erhöre uns, ist es gut, zu schweigen; denn jetzt hat er uns erlaubt, in seiner Gegenwart zu verbleiben […].

Quelle: CFM.SCJ Archiv Yaoundé

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