Das süße Leben von Kardinal Maradiagas rechter Hand

Kardinal Maradiga mit dem inzwischen zurückgetretenen Weihbischof Pineda. In Honduras wurden die schwerwiegenden Vorwürfe bisher nicht untersucht und aufgearbeitet. Eine Online-Zeitung fordert „gründliche Ermittlungen“.

(Tegucigalpa) Ende Juli, in etwa zur selben Zeit als Skandal-Kardinal Theodore McCarrick auf seine Kardinalswürde verzichten mußte, verlor auch ein Weihbischof sein Amt. Die beiden Fälle weisen zahlreiche Parallelen auf und auch eine Ähnlichkeit, wie Rom damit umgeht. In beiden Fällen konnte das Problem nicht beseitigt werden, weil der Wille zur wirklichen Reinigung zu fehlen scheint.

Im Zusammenhang mit dem Fall McCarrick setzt das Dossier des ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, Papst Franziskus gehörig unter Druck. Das Kirchenoberhaupt schweigt und hofft, daß in der schnellebigen Zeit die Sache rasch vergessen wird.

Große Probleme herrschen weiterhin auch rund um den zweiten Fall, der das Erzbistum von Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga in Honduras betrifft. Wie McCarrick steht auch Kardinal Maradiaga der päpstlichen Linie sehr nahe. Im Juli mußte Maradiagas rechte Hand, Weihbischof Juan Jose Pineda Fasquelle, wegen sexuellen Mißbrauchs und eines homosexuellen Doppellebens zurücktreten. Die Sache wurde allerdings im Detail etwas anders gehandhabt als der Fall McCarrick. Über den nunmehrigen Ex-Kardinal aus den USA berichtete im Sommer sogar die New York Times. Der Fall Pineda konnte medial hingegen auf kleinerer Flamme gehalten werden. Offiziell mußte er nicht zurücktreten, sondern habe „auf eigenen Wunsch“ um seine Entbindung gebeten, um sich „neuen Aufgaben“ zuzuwenden. So jedenfalls die Version des Heiligen Stuhls und des Erzbistums Tegucigalpa. Anstatt Ermittlungen gegen Pineda einzuleiten und kanonische Strafen gegen ihn zu verhängen, half der Vatikan mit, alles unter den Tisch fallen zulassen.

Der Grund? Pineda ist ein Protegé von Kardinal Maradiaga, und der ist wiederum einer der engsten Vertrauten und Berater von Papst Franziskus und als Koordinator dessen Schlüsselfigur im C9-Kardinalsrat für die Kurienreform und die Leitung der Weltkirche. Maradiaga, so Tosatti, spielt seit der Wahl von Papst Franziskus auch bei wichtigen Bischofsernennungen eine Rolle, so beispielsweise (zusammen mit McCarrick) bei der Ernennung von Blase Cupich zum Erzbischof von Chicago und von Pena Parra zum neuen Substituten des vatikanischen Staatssekretariats.

„Große Probleme“ nicht überwunden

Der Vatikanist Marco Tosatti warf, rund vier Monate nach Pinedas „freiwilligem“ Rücktritt, einen Blick auf die Lage im honduranischen Erzbistum. Sein Resümee: Die „großen Probleme“ in der Diözese von Kardinal Maradiaga und insgesamt in der Kirche von Honduras sind nicht überwunden.

Am 8. und 16. November veröffentlichte die „glaubwürdige“ honduranische Online-Tageszeitung ConfidencialHN die Schilderung eines „Schlüsselzeugen“ und neue Dokumente, so Tosatti.

„Sie bestätigen nicht nur viele der Anschuldigungen gegen den ehemaligen, in Ungnade gefallenen Weihbischof von Tegucigalpa, sondern liefern auch neue Details zum Fall.“

Erste Berichte über Pineda waren außerhalb Honduras vom italienischen Wochenmagazin L’Espresso zum Jahreswechsel 2017/2018 veröffentlicht worden und standen in direktem Zusammenhang mit Kardinal Maradiaga. Es wurde aufgedeckt, daß sich der Kardinal jährlich von der Katholischen Universität von Honduras, deren Großkanzler er ist, Extra-Zuwendungen in der Höhe von 600.000 Dollar auszahlen ließ.

Papst Franziskus nahm seinen Vertrauten jedoch sofort in Schutz und gab zu verstehen, an ihm festhalten zu wollen. Seither rückte dessen „rechte Hand“ im Erzbistum Tegucigalpa stärker ins Licht der Scheinwerfer. Dabei kam Erstaunliches zum Vorschein.

Anschuldigungen gegen Weihbischof Pineda

Weihbischof Pineda wurde beschuldigt, Seminaristen des zentralen Priesterseminars sexuell korrumpiert und mißbraucht zu haben. 48 von insgesamt 180 honduranischen Seminaristen schrieben im vergangenen Juni einen Protestbrief, um auf die untragbaren Zustände im Seminar aufmerksam zu machen. Bereits 2016 hatte der ehemalige Regens Pineda den Lehrauftrag entzogen und ihm Hausverbot erteilt. Kardinal Maradiaga kam seinem Weihbischof aber zu Hilfe, setzte den Regens ab und verschaffte Pineda 2017 wieder Zutritt zum Seminar.

Bischof Pineda „verschwendete Geld an Geliebte, Autos, Motorräder und Immobilien“

Pineda wurde zudem beschuldigt, nicht nur im Priesterseminar Jagd auf Sex-Objekte zu machen, sondern auch außerhalb des Seminars eine ganze Reihe von Homo-Gespielen zu haben. Mit einem von ihnen, dem Mexikaner Cravioto, unterhielt er längere Zeit im erzbischöflichen Palais Villa Iris eine homosexuelle Beziehung – Tür an Tür mit Kardinal Maradiaga. Dieser will nichts von alledem mitbekommen haben und bestreitet nach wie vor das homosexuelle Doppelleben seines Adlatus.

Pineda wurde auch beschuldigt, sehr locker mit den Finanzen des Erzbistums umgegangen zu sein, um sich seine sexuellen Eskapaden leisten zu können. Als die Sexspiele mit Cravioto im erzbischöflichen Palais schon für zuviel Gerede sorgten, soll Pineda in der Altstadt eine Wohnung für ihn angemietet oder gekauft haben. Eine Reihe von Geldflüssen für das Erzbistum sollen auf die Privatkonten des Weihbischofs geflossen sein, darunter Fördergelder des Staates, wie im März der National Catholic Register berichtete. Insgesamt soll sich Pineda staatliche Subventionen im Wert von 1,3 Millionen Dollar angeeignet haben, die für karitative Zwecke gewährt wurden. Das Geld sei laut den neuen Quellen „vollkommen verschwunden“.

Der Visitationsbericht und ein untätiger Papst

Der heute 57jährige Pineda leitete das Erzbistum während der Abwesenheit von Kardinal Maradiaga, und der war häufig abwesend, seit er 2001 Kardinal wurde. 2005 wurde er von bestimmten Medien sogar als Papabile gehandelt.

Die Vorwürfe moralischer und finanzieller Art gegen Pineda hatten im Frühjahr 2017 zu einer Apostolischen Visitation geführt. Papst Franziskus entsandte dazu einen persönlichen Vertrauten, den Argentinier Msgr. Alcides Jorge Pedro Casaretto, emeritierter Bischof von San Isidro, nach Tegucigalpa. Dieser legte im Mai 2017 dem Papst seinen Bericht vor. Dennoch gelang es Kardinal Maradiaga mehr als ein weiteres Jahr seine schützende Hand über Pineda zu halten. Papst Franziskus blieb untätig. Im vergangenen Juli mußte Pineda schließlich doch seinen Posten räumen, braucht aber bis heute keine rechtlichen Konsequenzen zu fürchten.

ConfidencialHN stützt sich in seinen Enthüllungen auf die Aussagen eines Schlüsselzeugen der vatikanischen Casaretto-Untersuchung. Der Zeuge berichtet, daß Pineda, um an staatliche Subventionen zu gelangen, eine Reihe von Pfarreien besuchte, sich deren Projekte erklären und Details dazu liefern ließ. „Einige Pfarrer gehorchten, andere nicht“, weil sie wußten oder ahnten. Mit den Angaben beantragte der Weihbischof staatliche Zuschüsse, die auch gewährt wurden, ohne aber von dem Geld etwas an die Pfarreien weiterzugeben.

Homo-Geliebte und falsche Priester

Der Autor von ConfidencialHN, David Ellner Romero, berichtet auch über den Geliebten von Bischof Pineda, Erick Cravioto Fajardo, einen mexikanischen Laien, den Pineda aber als Priester ausgab, um zu einer Steuerbegünstigung für ein Auto zu kommen, das er ihm kaufte. Es scheint nicht der einzige Fall gewesen zu sein, wo Pineda einen Homo-Geliebten fälschlich als Priester ausgab. Ein anderer Geliebter war auf Intervention Pinedas zehn Jahre Kaplan bei der honduranischen Polizei. Inzwischen gibt es große Zweifel, ob er je zum Priester geweiht wurde.

Papst Franziskus mit Kardinal Maradiaga

Kardinal Maradiaga unterzeichnete alle Unterlagen. Ellner Romero schont den Kardinal und schreibt, daß die Unterlagen zur „Ausplünderung staatlicher Förderfonds“ von Pineda offenbar „so gut“ getürkt waren, daß der Kardinal die „wahren Absichten“ seines Weihbischofs nicht durchschaut haben könnte. Daran hegen andere erhebliche Zweifel.

Laut ConfidencialHN habe Pineda das Geld eingesetzt, um „unter anderem sexuelle Gefälligkeiten zu bezahlen, ein Netz von Geliebten zu unterhalten, verschiedene Immobilien, Autos und Motorräder zu kaufen und Auslandsreisen mit einem bezahlten Geliebten zu machen“. Die genannten Anschuldigungen werden von der Internetseite detailliert aufgelistet, ebenso die homosexuellen Praktiken des Bischofs.

Der Zeuge bestätigt nicht nur die Homo-Beziehung Pinedas mit Cravioto, sondern auch mit anderen. Es sei zwar alles „geheim“ erfolgt, aber doch nicht so geheim, daß es unbemerkt geblieben wäre.

Oscarito und die Valle de Angeles

Wenn Pineda Pfarreien besuchte, nahm er häufig einen Mann namens Oscarito mit, den er als seinen „Assistenten“ vorstellte. Obwohl mit dem Fahrer drei Personen unterzubringen waren, ließ er immer nur zwei Zimmer reservieren. Pineda schlief mit Oscarito im selben Zimmer.

Pineda, so der Zeuge, brachte häufig Ministranten, das konnten auch Seminaristen sein, die ihm in der Messe assistierten, nach Valle de Angeles. „In dem Haus gab es nur ein Schlafzimmer mit einem Bett und einen Divan, und er [Pineda] blieb dort mit zwei Kindern. Das Seltsame war: Am nächsten Morgen, als wir frühstückten, war der Divan ungebraucht. Das heißt, er hatte mit den beiden im Bett geschlafen“, so die Zeugenaussage, die sich im vatikanischen Untersuchungsbericht findet.

Als sich Pineda von Cravioto trennte, nahm sich der Weihbischof Oscarito zum Geliebten, während Cravioto die Homosexualität mit einem gewissen Denis auslebte, der dafür ein Vollstipendium an der Katholischen Universität von Honduras erhielt.

Cravioto und Denis hätten sich dann so heftig zerstritten, sodaß Pineda eingreifen mußte, um Schlimmeres zu verhindern. Cravioto nahm sich darauf einen gewissen Darwin zum Geliebten, der wiederum ein Vollstipendium für die katholische Universität erhielt.

Ellner geht davon aus, daß die verschwundenen 1,3 Millionen Dollar dazu führten, daß jemand nicht mehr den Mund hielt. Als die ersten Medienberichte auch im Ausland erschienen, wagten die Seminaristen ihren Protest zu äußern.

Pineda, so der Zeuge, habe als Reaktion auf die großen Spiegel in der Villa Iris mit rotem Stift die Namen von einem Dutzend Priester und Laien geschrieben, die ihn verraten hätten. Dieses Verhalten wird vom Zeugen als Ausdruck „seines Wahnzustandes“ gewertet.

„Gründliche Ermittlungen“ und der Sondergipfel im Vatikan

ConfidencialHN nennt noch weitere schwerwiegende Fälle und fordert „eine gründliche Untersuchung“, die „Licht in die Verbrechen“ bringen sollen, die sich im Schoß der Kirche von Honduras zugetragen haben.

Für Februar 2019 wurde von Papst Franziskus ein Sondergipfel zum Thema sexueller Mißbrauch durch Kleriker einberufen. Dabei sollen Maßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens getroffen werden. Worin diese bestehen sollen, ist vorerst nicht bekannt. Bekannt ist, daß Papst Franziskus am 12. November die US-Bischofskonferenz daran hinderte, konkrete Maßnahmen zu treffen. Streitpunkt ist der Umgang mit Bischöfen, die sich schuldig gemacht haben.

Der Sondergipfel im Vatikan hätte sich auch mit dem Fall Pineda zu befassen. Derzeit sieht es aber nicht danach aus.

Quelle: katholisches.info Bild: NBQ/ConfidencialHN/Vatican.va (Screenshots)

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